Alles begann mit dem früheren serbischen Staatsoberhaupt Slobodan Milosevic. In den 1990er-Jahren, der Zeit der Balkankriege, predigten Serbiens Politiker die serbisch-chinesische Freundschaft. Slobodan Milosevics Frau Mira Markovic träumte von einem Chinatown in der Hauptstadt Belgrad. Damals liessen sich etwa 30 000 Chinesen in Serbien nieder. Chinesische Produkte zu Tiefstpreisen überschwemmten das Land. Als Serbien unter dem Embargo des UN-Sicherheitsrats litt, kamen viele chinesische Kaufleute und versorgten die Leute mit allem, was sonst rar war.
Milosevic ist inzwischen tot. Die Chinesen aber sind geblieben. Ihre Läden sind in Serbien überall zu finden. In Neu-Belgrad steht das grösste chinesische Warenhaus. Belgrader nennen es Chinatown, die Chinesen Asian Shopping Center.
Ich wohne in der Altstadt von Belgrad. Dort, wo Häuser aus der Gründerzeit die Strassen zieren und die Save in die Donau mündet. An der Knez-Mihajlova-Prachtstrasse verkaufen Boss und Prada Luxuskleider. Chinesische Mode gibt es ein paar Strassen weiter: in einem exquisiten «Panda-Laden», untergebracht in einem Jugendstil-Gebäude.
Aber ich gehe lieber nach Chinatown in Neu-Belgrad. Dort habe ich das Gefühl, in China zu sein. Es riecht nach Plastik, wenn man an kleinen Läden vorbeischlendert, die dicht aneinandergepresst sind. Das Einkaufszentrum ist eher schmuddelig. Die chinesischen Verkäufer sitzen gelangweilt in den Ecken – umgeben von einem riesigen Warenangebot aus Tausenden von Mützen, Schuhen und Büstenhaltern. Es gibt auch spottbillige Bettwäsche, Teppiche, rollende Koffer aus echtem Leder sowie Plastik, Töpfe, Stoffe, Lippenstifte, Teetassen und mehr.
Auch der chinesische Imbiss gehört dazu. Es gibt kein Besteck, nur Stäbchen und klapprige Plastikstühle. Man kann Sesamöl und Sojasauce kaufen – viel günstiger als in serbischen Läden. Vor dem Kaufhaus verkaufen Bauern Gemüse. Betriebsame Chinesen bauen in Serbien Pak Choi, Zitronengras und andere chinesische Köstlichkeiten an.
Für China sind Serbien und der ganze Balkan wichtig, um den politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Europa zu vergrössern. Die Chinesen investieren von Slowenien bis Mazedonien in Brücken, Fabriken und Autobahnen. Die serbisch-chinesische Freundschaft wird weiter gepflegt.