Im Juli erhielt Lisa L. aus Genf einen Telefonanruf. Ein Aktienverkäufer der Zürcher Firma Vonberg AG verlangte ihren 23-jährigen Sohn zu sprechen. Lisa L. sagt: «Der Berater war sehr penetrant, sprach nur Englisch und kein Französisch.» Der Verkäufer hatte ein Angebot: Ihr Sohn solle Aktien der Zuger Firma Heart Force AG kaufen. Kurz darauf erhielt Lisa L. Werbematerial zur Firma zugeschickt.
Heart Force will eine App zur Früherkennung von Herzerkrankungen entwickeln. Das Produkt ist noch nicht marktreif, doch die Firma hat bereits 26 Millionen Aktien mit einem Nennwert von 10 Rappen im Angebot. Die Wertpapiere werden für mindestens 2.70 Franken pro Stück an Investoren verkauft. Das heisst: Die Firma Heart Force, die bisher keinen Gewinn erzielte, bewertet sich schon mal auf mindestens 70 Millionen Franken. Das Risiko eines Totalverlusts ist für Investoren gross. Das Start-up befindet sich im Aufbau, ist nicht an der Börse kotiert und so auch nicht zu Transparenz verpflichtet.
Für Kleinanleger sind solche Investitionen riskant – vor allem für junge Leute mit Durchschnittslohn. Heart Force schreibt mit Verweis auf die Vonberg AG, junge Erwachsene würden in der Regel nicht zu den Zielkunden gehören.
K-Geld erhält oft Anfragen von Lesern, denen per Telefon Aktien angeboten werden. Neu ist, dass sich auch Leute aus der Romandie melden, die von Deutschschweizer Firmen wie Vonberg angegangen werden. Den Aktienverkäufern winken Provisionen von bis zu 60 Prozent.
Gerichtsverfahren gegen das Mutterunternehmen Global Equity Associates
Von aussen betrachtet könnte man meinen, die Akteure der verschiedenen Aktienverkaufsfirmen würden autonom agieren, obwohl sie zum Teil die gleichen Aktien von Start-ups verkaufen. Doch viele Akteure haben ihre Wurzeln im Unternehmen Global Equity Associates AG (GEA). Dessen Gründer und Inhaber wurde dieses Jahr erstinstanzlich in Zug wegen Betrugs zu 27 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt (K-Geld 4/2021). Die GEA verkaufte unter anderem wertlose Aktien der Stemergie Biotechnology SA und der Amvac AG. Im Fall Stemergie bezifferte die Justiz den Schaden auf mindestens 1,3 Millionen Franken. Beim Fall Amvac geht die Staatsanwaltschaft von einem Schaden von mindestens 55 Millionen Franken aus. Das Urteil aus der Gerichtsverhandlung vom März steht noch aus.
Bei der GEA galt der damals 21-jährige Albert Merturi als «Spitzenverkäufer». Heute ist er Geschäftsführer der Vonberg AG. Wie Merturi ging auch Artan Qelaj bei der GEA in die «Lehre» und galt als Topmann am Telefon. Nach seinem Weggang gründete er die Salfried AG mit Sitz in Zürich. Diese Firma verkaufte zum Beispiel Aktien der Screen24 AG, die in Konkurs gegangen ist (siehe Seite 12). Nun leitet Qelaj die Nordstein AG aus Zürich als CEO. Mit ihr verkauft er etwa Aktien des hochriskanten Diabetes-Start-ups Securecell AG aus Urdorf (K-Geld 4/2020).
Ein weiterer Player der Branche ist die Venstone AG (früher Belvoir Group AG). Mehrere Verkäufer wechselten von der GEA zu ihr. Im Verwaltungsrat sass mit Pablo Sipos ein weiterer GEA-Mann. Danach gründete er die Lichtenfels AG (heute Source of Success Consulting AG) mit GEA-Verkäufer Luca Rhyner im Verwaltungsrat. Der Kreis schliesst sich: Rhyner agierte bei Vonberg AG als Leiter Investor Relations.