«Das liegt gerade noch drin», dachte sich das Ehepaar aus Würenlos AG, als es das E-Mail der Migros-Bank las. Die Bank teilte am 24. März 2015 mit, bei einer vorzeitigen Kündigung der 8-jährigen Festhypothek müsse das Paar mit Ausstiegskosten in der Höhe von 15 917 Franken rechnen. Plus 400 Franken Saldierungsgebühr.
Diese sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung wollte das Paar in Kauf nehmen. Im Vertrauen auf diese Zahl kündigte es bei der Migros-Bank und nahm die Hypothek für sein neues Haus bei der Aargauischen Kantonalbank auf.
Das böse Erwachen kam rund einen Monat später, als das Paar die definitive Berechnung erhielt. Nun verlangte die Migros-Bank plötzlich 23 238 Franken. Als das Ehepaar reklamierte, sagte eine Bankmitarbeiterin am Telefon, sie habe den Negativzins fälschlicherweise abgezogen statt dazugezählt.
Negativzinsen verteuern den Ausstieg
Von einem Entgegenkommen will die Migros-Bank nichts wissen. Sie bedauert zwar die «Unannehmlichkeiten» wegen der «falschen Erstberechnung». Doch sie habe bei der ersten Kostenangabe deren «informativen Charakter» betont und darauf hingewiesen, es sei noch keine «definitive Berechnung».
Auch Kurt O. aus dem Raum St. Gallen ärgerte sich. Er hatte eine 5-jährige Festhypothek über 225 000 Franken bei der Banca Popolare di Sondrio (PBS) in Lugano. Zum Zins von 1,6 Prozent. Weil er sie bereits nach 16 Monaten kündigte, musste er für die restlichen 44 Monate nicht nur den vollen abgemachten Zins von 13 200 Franken zahlen, sondern zusätzlich noch 4950 Franken. Dieser Betrag entspricht einem Negativzins von 0,6 Prozent, ebenfalls für die Restlaufzeit von 3 Jahren und 8 Monaten.
Die Bank schrieb ihm, sie könne in solchen Fällen gemäss Reglement «allfällige Zinsverluste für die Restlaufzeit» in Rechnung stellen. Zudem müsse sie das vom Kunden erhaltene Geld bei der Schweizerischen Nationalbank anlegen, und diese belaste ihr einen Negativzins. Die Bank verzichtete allerdings auf die 4950 Franken, nachdem sich der Bankenombudsmann eingeschaltet hatte.
Die Beispiele zeigen: Wer frühzeitig aus einer Festhypothek aussteigt, muss bei einigen Banken möglicherweise mehr zahlen als nur den Ausfall des vertraglich fixierten Zinses. Die Banken nehmen die Negativzinsen der Nationalbank zum Anlass, den Ausstieg zu verteuern.
Die Banken argumentieren mit dem Kleingedruckten. Dort steht in der Regel, die Vorfälligkeitsentschädigung richte sich nach dem aktuellen Zins einer «Wiederanlage am Geld- oder Kapitalmarkt». Konkret: Die Bank kalkuliert, wie viel Zins sie für die verbleibende Vertragslaufzeit gemäss Abmachung erhalten hätte. Dann nimmt sie den Satz, zu dem sie das Geld aktuell wieder für die gleiche Restlaufzeit anlegen könnte. Die Differenz muss der Kunde zahlen.
Berechnung eines Schadenersatzes ist juristisch fragwürdig
«Rein technisch betrachtet ist es korrekt, dass die Zinsen negativ sind», sagt Lorenz Heim vom VZ Vermögenszentrum in Zürich. Aber faktisch lege keine Bank ihre Hypothekargelder zu negativen Zinsen an. Deshalb sein Fazit: «Ausstiegsentschädigungen mit negativen Zinsen zu berechnen, ist stossend.»
Kommt dazu: Es ist umstritten, ob diese Berechnung des Schadenersatzes juristisch haltbar ist. Die Bank müsste im Streitfall beweisen, dass sie für das vor Fälligkeit zurückerhaltene Geld tatsächlich einen Negativzins zahlen muss. Ob sie also dieses Geld zum Beispiel effektiv bei der Nationalbank parkiert und dort einen Negativzins zahlen muss. Die Migros-Bank etwa bestreitet das: «Inwieweit die Migros-Bank für Teile ihres Geschäftsportfolios Negativzinsen an die Nationalbank zahlen muss, ist unerheblich. Relevant für das Hypothekargeschäft sind die Refinanzierungskonditionen auf dem Geld- und Kapitalmarkt.»
Immerhin zeigt eine breite Umfrage von K-Geld: Nicht alle Banken verlangen einen solchen «Negativzuschlag». Zu ihnen gehört etwa die Schaffhauser Kantonalbank. Sie sagt: «Wir behandeln unsere Kunden fair.» Im Gegensatz dazu steht die Bank Coop, welche die Negativzinsen in Rechnung stellt. Ihr Motto lautet übrigens «Fair banking».
Die Valiant Bank ist eine der ganz wenigen Banken, die diesen umstrittenen Punkt explizit geregelt hat: Sie hat in den Geschäftsbedingungen «eine Untergrenze von 0,00 %» definiert, darf also gestützt darauf keine Negativzinsen in Rechnung stellen.