Die Genfer Flowbank scheiterte nach nur vier Jahren. Charles-Henri Sabet hatte die Bank im Jahr 2020 gegründet. Sie bot günstige Depot- und Handelskonditionen an. Doch am 13. Juni 2024 eröffnete die Finanzmarktaufsicht (Finma) den Konkurs über die Bank.
Die Aufsichtsbehörde stellte fest, dass die Digitalbank nicht mehr über genügend Eigenmittel verfügte. Sie sei auch nicht mehr in der Lage, innerhalb der erforderlichen Frist nachhaltige Massnahmen zu ergreifen, um die Eigenmittelvorschriften wieder einzuhalten. Die Finma beauftragte daraufhin die Anwaltskanzlei Walder Wyss AG mit der Durchführung der Liquidation.
Wertpapiere sind nicht Teil der Konkursmasse
Geht in der Schweiz eine Bank in Konkurs, sind Einlagen auf Konten bis 100'000 Franken pro Kunde geschützt. Die Kunden der Flowbank bekamen ihr gesichertes Geld innert Tagen ausbezahlt. Guthaben auf Kundenkonten, die über 100'000 Schweizer Franken hinausgehen, wurden der dritten Konkursklasse zugeordnet.
Aktien, Obligationen und Anlagefonds in den Kundendepots einer Bank sind nicht Teil der Konkursmasse, sie gehören den Depotinhabern. Die Wertpapiere wurden deshalb aus dem Konkurs ausgesondert und werden durch den Liquidator an eine neue Depotbank übertragen. Wohin, bestimmt der jeweilige Depotinhaber.
K-Geld-Leser wartet seit Monaten auf seine Aktien
Die rechtliche Regelung ist also klar. Das gilt auch bei der Zuständigkeit für das Zügeln des Depots zu einer neuen Bank. Die Praxis zeigt allerdings: Es braucht Geduld. Der Konkurs wurde im Juni 2024 eröffnet. Ende November wandte sich Flowbank-Kunde Rödiger Voss, ein Hochschuldozent aus einer Thurgauer Bodenseegemeinde, an K-Geld. Er wartete seit Monaten auf die Auslieferung seiner Schweizer Aktien, die immer noch in seinem Flowbank-Depot liegen.
Dabei hatte Voss am 12. Juli 2024 von der Anwaltskanzlei Walder Wyss ein Schreiben erhalten, worin es hiess, dass er in der Folgewoche die Übertragung seiner Wertschriften im Flowbank-Depot beantragen könne. Darauf eröffnete er bei der Thurgauer Kantonalbank ein Depot und reichte umgehend den Auslagerungsantrag ein.
Am 24. Juli 2024 schrieb ihm die Anwaltskanzlei: «Die Liquidatorin möchte Sie darüber informieren, dass die Bearbeitung von Wertpapierübertragungen von Kunden aufgrund der grossen Mengen der eingegangenen Anfragen und der Komplexität der Ausführung dieser manuellen Übertragung mehrere Wochen dauern kann.» Danach herrschte Funkstille.
Anwaltskanzlei rät dazu, die Wertpapiere zu verkaufen
Voss’ Kontaktversuche über die eingerichtete Telefonhotline endeten in der Warteschlaufe, bei der Voss nach jeweils rund 20 Minuten aufgab. Mitte Oktober 2024 erhielt er von Walder Wyss erneut ein Rundschreiben. Darin wurde ihm empfohlen, seine Wertpapiere bis Mitte November 2024 zu verkaufen und von der Übertragung abzusehen, um sein Vermögen schneller zurückzuerhalten. Doch Voss wollte seine Aktien behalten. Ein Verkauf kam für ihn nicht infrage.
Am 4. November 2024 erhielt Voss die Mitteilung, dass sein Konto bei der Flowbank im Minus stehe, da die Depotgebühr für das dritte Quartal 2024 abgebucht worden sei. Das Geld auf dem Konto war ihm im Rahmen der gesicherten Einlagen bereits im Sommer 2024 ausgezahlt worden. Deshalb teilte ihm die Anwaltskanzlei mit Verweis auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank mit, dass zur Deckung des negativen Saldos Wertpapiere aus seinem Depot verkauft werden können. Darüber hinaus musste er im November einen erneuten Antrag für die Übertragung seiner Aktien zur Thurgauer Kantonalbank stellen.
Olivier Nicod von der Anwaltskanzlei Walder Wyss sagt dazu, «dass die Abwicklung der Bank – nach objektiven Kriterien gemessen – reibungslos und gemäss unseren Prognosen verläuft». Generell sei ein Wertschriftentransfer zu einer neuen Depotbank «kein häufiger Vorgang», den selbst vor der Liquidation «nur wenige Mitarbeitende des Flowbank-Backoffice beherrschten». Deshalb seien zur Unterstützung zusätzliche Leute eingestellt worden.
Nicod fügte diverse weitere Gründe an, die einen Transfer von Anlagen verzögern könnten. Im Fall von Rödiger Voss traf jedoch keiner davon zu.
Liquidator verkauft ohne Rücksprache Aktien
Laut Walder Wyss hatten am 20. Januar erst 4760 von 6283 Flowbank-Kunden ihre Wertschriften oder den Erlös aus deren Verkauf zurückerhalten. Man sei zuversichtlich, bis zum 31. März 2025 alle beantragten Transfers abgeschlossen zu haben.
K-Geld-Leser Rödiger Voss wartet nach über einem halben Jahr noch immer auf die Auslieferung seines Eigentums. Er stellte ausserdem fest, dass eine Aktie aus seinem Depot zur Deckung der Depotgebühr verkauft wurde – ohne dass dies der Liquidator vorher mit ihm abgesprochen hatte.