Festhypotheken sind vor Ablauf grundsätzlich nicht kündbar. Immer wieder kommt es aber vor, dass Wohneigentümer ihre Wohnung oder ihr Haus unvorhergesehen kurzfristig verkaufen wollen – sei es wegen einer Scheidung, eines Jobverlusts oder Todesfalls. Kündigen sie in solchen Fällen die Hypothek vor Ablauf des Vertrages, verlangen die Kreditgeber meist eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung. Diese entspricht in der Regel der Differenz zwischen dem Zins der Festhypothek und dem Ertrag bei einer Wiederanlage des Geldes für die verbleibende Laufzeit. Das kann schnell Tausende von Franken ausmachen.
Jetzt profitieren Banken von einer vorzeitigen Auflösung
In Zeiten der Negativzinsen konnte es für Schuldner noch teurer werden. Denn diverse Banken rechneten bei einer vorzeitigen Kündigung einer Festhypothek mit einem negativen Wiederanlagesatz. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied 2019 allerdings in einem vom «K-Tipp» geführten Musterprozess: Kündigt ein Schuldner seine Festhypothek vorzeitig, muss er höchstens die Zinsen für die restliche Laufzeit bezahlen («K-Tipp» 18/2019). Inzwischen änderten einige Banken ihre Hypothekarverträge zulasten der Kunden.
Seit September sind Negativzinsen Vergangenheit. Das Zinsniveau ist in anderthalb Jahren stark gestiegen, beispielsweise bei Festhypotheken mit 10 Jahren Laufzeit: Laut dem Hypothekenvermittler Moneypark erhöhte es sich im Durchschnitt um 1,74 Prozentpunkte auf aktuell 2,98 Prozent. Das bedeutet: Banken können Gelder aus vorzeitig zurückbezahlten Krediten jetzt viel gewinnbringender anlegen als noch vor zwei Jahren. Und profitieren somit von der zu frühen Auflösung des Vertrags.
K-Geld fragte zwölf Banken, zwei Versicherer und das Hypothekenzentrum des VZ Vermögenszentrums, ob sie ihre Schuldner am Gewinn beteiligen, wenn diese die Hypothek vorzeitig zurückzahlen. Als Beispiel für die Berechnung dient ein Wohneigentümer, der zum 1. September 2021 eine 10-jährige Festhypothek in der Höhe von 500'000 Franken abschloss. Der Zinssatz beträgt 1,25 Prozent. Wegen des Verkaufs seiner Liegenschaft aus persönlichen Gründen kündigt er die Hypothek per 28. Februar 2023 – achteinhalb Jahre vor Ende der Vertragslaufzeit. Wie sähe dann die Abrechnung zur Vorfälligkeitsentschädigung aus?
Nur zwei Kreditgeber waren bereit, eine konkrete Antwort zu geben. Laut der UBS würde der Schuldner für die Restlaufzeit eine Entschädigung von 37'314 Franken erhalten. Beim Hypothekenzentrum wären es 21'250 Franken abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 300 bis 500 Franken. Die Credit Suisse, die Postfinance und die Zürcher Kantonalbank wollen sich nicht festlegen. Alle drei argumentieren, die Berechnung erfolge «individuell». Damit meinen sie, dass sie bei der Festlegung des Wiederanlagesatzes einen gewissen Ermessensspielraum nutzen.
Florian Schubiger vom Hypothekenvermittler Hypotheke.ch bestätigt: «Die Banken haben hier wie überall Spielraum.» Habe jemand ein grösseres Wertschriftendepot bei der Bank oder bestehe die Chance, dass er später erneut eine Hypothek beim selben Institut abschliesse, könne er mit einer höheren Entschädigung rechnen.
Die übrigen befragten Banken und Versicherungen würden dem Kunden kein Geld auszahlen (siehe Tabelle im PDF). Aber dieser müsste im Beispielfall auch keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Die Versicherer Axa und Swiss Life, die Valiant, die Raiffeisenbank und die Kantonalbanken von Aargau, Basel und Bern schliessen in ihren Hypothekarverträgen eine Vorfälligkeitsentschädigung zugunsten der Kunden ausdrücklich aus.
Die entsprechenden Klauseln bei den Kantonalbanken von Luzern und St. Gallen sowie jene der Migros-Bank enthalten keine solchen Ausschlüsse. Bei der St. Galler Kantonalbank heisst es, im Fall einer vorzeitigen Kündigung «hat der Kreditnehmer eine Vorfälligkeitsentschädigung zu entrichten». Diese Regelung schliesse ein, dass die Bank keine Entschädigung zu entrichten habe, sagt Adrian Kunz von der St. Galler Kantonalbank.
Einseitige Entschädigungen womöglich missbräuchlich
So eindeutig ist die Rechtslage allerdings nicht. Laut Rechtsanwalt und Titularprofessor Jean-Marc Schaller aus Küsnacht ZH könnten solche Klauseln, die keine Entschädigung des Kunden vorsehen, ungültig sein im Sinne des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. «Wenn ein privater Kreditnehmer eine solche Klausel anfechten würde, ist nicht auszuschliessen, dass die Gerichte solche einseitig zugunsten der Bank formulierte Entschädigungsklauseln als missbräuchlich und damit als ungültig beurteilen.»
Lorenz Heim, Leiter Hypothekargeschäft im VZ Vermögenszentrum, kritisiert Regelungen, bei denen Gewinne aufgrund frühzeitiger Kreditauflösungen durch den Kunden automatisch der Bank gehören: «Das halte ich für rechtlich und moralisch sehr fragwürdig.» Und für Florian Schubiger steht fest: Banken, die jetzt die Entschädigungen von Schuldnern einbehalten, die ihre Festhypothek während der Tiefzinsphase abschlossen, «machen ein gutes Geschäft».
Vorfälligkeitsgebühr: Wie die Banken sie berechnen
Die Kreditgeber berechnen die Vorfälligkeitsentschädigungen nach unterschiedlichen Formeln. Die Axa etwa multipliziert den Kreditbetrag mit der Restlaufzeit und der Differenz zwischen dem vereinbarten Hypothekarzinssatz und dem Wiederanlagesatz. Bei der Zürcher Kantonalabank kommt zusätzlich ein Diskontfaktor zur Anwendung. Dieser reduziert den Betrag der Vorfälligkeitsentschädigung um den Zinseszins. Die UBS zieht vom Kundenzinssatz einen variablen Prozentanteil für Risiko- und Verwaltungskosten ab.
Um den Wiederanlagesatz zu bestimmen, stützen sich viele Kreditgeber auf den Swap-Zinssatz in Franken (Swap: englisch für Tausch). Der Swap-Zinssatz widerspiegelt den Preis für die Zinsabsicherung bei einer anderen Bank für eine bestimmte Laufzeit.
Eine Faustregel des Internetportals Hypotheke.ch hilft Hypothekarschuldnern abzuschätzen, ob sie bei einem vorzeitigen Ausstieg draufzahlen müssen. Es fällt keine Vorfälligkeitsentschädigung an, wenn die Zinsen seit Abschluss der Hypothek um 1,5 Prozent oder mehr angestiegen sind.