Nadine Hochstrasser liebte es schon als Kind, vor Publikum aufzutreten. Wenn ihre Eltern Freunde einluden, übte sie eine kleine Show ein und führte diese vor den Gästen auf. Im Alter von fünf Jahren begann sie mit Tanzunterricht und wurde in einem Casting für ein Projekt mit einer professionellen Tanzgruppe ausgewählt. Das bewog die Eltern, Nadine in musischen und sportlichen Fächern zu fördern. Sie begann zusätzlich mit Geräteturnen, Gitarren- und Gesangsunterricht.
Mit 15 Jahren hatte sie genug von der Schule und entschied sich für eine Lehre als Verkäuferin bei Möbel Pfister. Nach dem Abschluss der Lehre reduzierte sie ihr Arbeitspensum und begann berufsbegleitend eine Ausbildung an
der Stageart Musical and Theatre School in Adliswil ZH. Im Februar 2020 hatte sie ihr Diplom in der Tasche.
Bereits während der Ausbildung trat sie als Schauspielerin und Sängerin auf, wurde für Musikvideos engagiert, war Darstellerin in theaterpädagogischen Projekten in Schulen, wirkte bei Hörspielen mit und sprach die Hintergrundstimme in Werbespots. Daneben engagierte sie sich im Jungen Theater Winterthur, zuerst als Schauspielerin, später auch als Regisseurin und Präsidentin des Vereins.
Während der Coronapandemie und des mehrmaligen und monatelangen Verbots von öffentlichen Aufführungen geriet Nadine Hochstrassers Karriere ins Stocken. 2022 wurde sie Teammitglied beim Circolino Pipistrello. Zwei Sommer lang tingelte sie als Darstellerin, Artistin und Zirkuspädagogin durch die Schweiz, im Winter renovierte das Team die Zirkuswagen und entwarf das neue Programm. Sie sagt: «Das war eine intensive Erfahrung, mein Privatleben war gestrichen.» Sie erhielt 1250 Franken pro Monat sowie Kost und Logis. «Da ich keine Zeit hatte, um Geld auszugeben, reichte das gut.»
Seit dem letzten Jahr ist Nadine Hochstrasser selbständig und hatte dabei verschiedene Engagements: zum Beispiel als Schauspielerin beim Theater «Jetzt» in Berlingen TG, beim Theater «Schwalbenschlag» in Wädenswil ZH, als Theater- und Zirkuspädagogin für Jugendliche – und sie versucht, mit einem Theaterkollektiv eigene Produktionen zu realisieren.
Viel Zeit muss sie auch für die Suche von neuen Rollen, die Bewerbung und das Vorsprechen aufwenden. Sie sagt: «Weil ein Engagement nur zwei bis drei Monate dauert, muss ich mich laufend um neue Jobs kümmern. Ich bin aber wählerisch. Es muss mich künstlerisch kitzeln. Sonst könnte ich mich gleich wieder bei Möbel Pfister melden.»
Bei vielen Engagements erhält sie den von den Verbänden empfohlenen Mindestlohn von 200 Franken pro Tag. Das Theater «Jetzt» bezahlte ihr für 30 Probentage, fürs Auswendiglernen der Texte und für zwölf Aufführungen 7000 Franken, was sie als «recht anständig» bezeichnet. Vom Theater «Schwalbenschlag» erhielt sie für 22 Probentage und sieben Aufführungen insgesamt 3100 Franken.
Besser bezahlt sind theaterpädagogische Engagements, die von der öffentlichen Hand unterstützt werden. Nadine Hochstrasser erhielt für ein achttägiges Projekt 4500 Franken. Auch Werbung zahlt sich aus. Ein Tag im Tonstudio bringt rund 800 Franken ein.
Nadine Hochstrasser lebt bescheiden. Ihr monatliches Budget beträgt 2000 Franken. Für die Miete ihrer Altbauwohnung bezahlt sie 500 Franken. Sie sagt: «Ich muss auf nichts verzichten, kann mir auch Ferien leisten. Wenn ich nicht an die Zukunft denke, finde ich meinen Lifestyle tipptopp.»