Spiralen - Vertrauensbruch beim Frauenarzt
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Gesundheitstipp 11/2000
01.11.2000
Gynäkologe setzte Patientin Spirale ein, ohne zu informieren - und kassierte ohne Quittung
Susanne Keller ist empört. Der Zürcher Frauenarzt Jürg H. Brunner verschwieg ihr, welche Spirale er ihr eingesetzt hatte. Damit zwang er die Patientin, sich alle zwei Jahre ein neue einlegen zu lassen.
Paula Lanfranconi redaktion@puls-tip.ch
Susanne Keller hatte gerade eine Tochter geboren. Ein zweites Kind war im Moment nicht geplant. Weil sie keine Hormone...
Gynäkologe setzte Patientin Spirale ein, ohne zu informieren - und kassierte ohne Quittung
Susanne Keller ist empört. Der Zürcher Frauenarzt Jürg H. Brunner verschwieg ihr, welche Spirale er ihr eingesetzt hatte. Damit zwang er die Patientin, sich alle zwei Jahre ein neue einlegen zu lassen.
Paula Lanfranconi redaktion@puls-tip.ch
Susanne Keller hatte gerade eine Tochter geboren. Ein zweites Kind war im Moment nicht geplant. Weil sie keine Hormone schlucken mochte, entschied sich die junge Mutter für die Spirale. «Welche Modelle es gibt, wusste ich nicht so genau. Ich nahm von meinem Frauenarzt Jürg H. Brunner einfach zur Kenntnis, dass die Spirale in zwei Jahren ausgewechselt werden müsse.» Die Spirale hatte sie 450 Franken gekostet.
Einige Zeit danach musste sich Susanne Keller einer Gebärmutterhalsoperation unterziehen. Danach liess sie sich von Frauenarzt Brunner eine neue Spirale legen. Nach zwei weiteren Jahren dünkten sie die 450 Franken für eine weitere neue Spirale doch zu viel. Bei einem anderen Frauenarzt fand sie heraus, dass die Spirale dort nur 250 Franken kostet. Zudem könne man diese fünf Jahre im Körper lassen. «Ich war ziemlich wütend», erinnert sich die heute 33-jährige Frau.
Doch Brunner klärte sie nicht über ihren Spiralentyp auf. Mehrere Anrufe habe es gebraucht, sagt Susanne Keller, bis ihr Brunners Arztgehilfin die Auskunft gab, sie trage eine Spirale des Typs «Multiload Cu 375». Das ist eine so genannte Kupferspirale. Die Herstellerfirma Organon empfiehlt, diese Spirale nur alle fünf Jahre zu ersetzen.
Verwirrende Angaben des Frauenarztes
Darauf angesprochen, sagt Brunner dem Puls-Tip: «Es ist möglich, sogar wahrscheinlich, dass die Patientin eine "Multiload Cu 275" trägt.» Dieser Typ existiert allerdings nicht.
Wenige Tage darauf korrigiert er seine Aussage: «Ich habe bei der Lieferfirma nachgefragt. Es wurde bei der Patientin eine 2-Jahres-Spirale eingelegt.»
Susanne Keller fühlt sich verschaukelt: «Diesem Arzt scheint es gleichgültig zu sein, ob ich schwanger werde oder nicht. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als zu meinem neuen Frauenarzt zu gehen und die Spirale entfernen zu lassen.»
Brunner rechtfertigt sich: Es spiele gar keine Rolle, ob 5-Jahres oder 2-Jahres-Spirale: «Ich wechsle alle Spiralen wegen der Komplikationsgefahr nach zwei Jahren aus.»
Patrick Hohlfeld, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie, widerspricht: «Wenn eine Spirale fünf Jahre "gültig" ist und keine Komplikation vorliegt, gibt es keinen Grund, die Spirale nach zwei Jahren zu ersetzen.» Daniel Passweg, Leitender Arzt der Zürcher Maternité Inselhof, warnt sogar: «Jeder Spiralenwechsel erhöht das Infektionsrisiko.» Heute bietet die Herstellerfirma Organon in der Schweiz nur noch das 5-Jahres-Modell an.
«Bei Beschwerdefreiheit und gutem Sitz kann man die Spirale während der vollen Liegedauer belassen», bestätigt Brigitte Hogg, Ko-Leiterin
der Abteilung für Familienplanung am Universitätsspital Zürich. Spiralen könnten jedoch verrutschen und von Bakterien besiedelt werden: «Es ist immer eine Gratwanderung zwischen unnötigem Auswechseln und überlanger Liegedauer. Je nach Erfahrung gehen die Ärzte sehr unterschiedlich vor.» Der beste Schutz vor Komplikationen sind regelmässige Nachkontrollen.
Im Normalfall kostet eine Spirale rund 200 Franken
Was darf das Einsetzen einer Spirale kosten? Gynäkologen-Präsident Patrick Hohlfeld: «Zwischen 120 und 140 Franken. Der Preis hängt ab vom Beratungsaufwand, von der Schwierigkeit des Prozederes und vom Zeitpunkt der Konsultation. Er sollte zwischen Arzt und Patientin vorbesprochen werden.» Dazu kommen die Kosten der Spirale. Bei «Multiload Cu 375» sind das Fr. 45.45. Das macht zusammen allerdings nur rund 200 Franken. Doch 450 Franken, wie sie Susanne Keller hinblättern musste, finden alle Befragten höchstens dann gerechtfertigt, wenn der Arzt umfassende Untersuchungen machen musste.
Jürg H. Brunner bestreitet heute, 450 Franken verlangt zu haben: «Mein Honorar betrug 250 Franken.» Eine Kopie der Rechnung oder eine Quittung konnte er dem Puls-Tip allerdings nicht zeigen.
Die Aussagen von Susanne Keller bestätigt eine zweite Patientin, Silvia Moor. Auch sie habe für das gleiche Spiralen-Modell zwischen 400 und 450 Franken bezahlt. Beweisen kann auch sie es allerdings nicht: Sie musste das Geld bar auf den Tisch legen. Krankenkassen bezahlen an die Verhütung bekanntlich nichts.
Heute ärgern sich die beiden Frauen, dass sie sich ohne Quittung abfertigen liessen. Silvia Moor gibt zu bedenken: «Man hat einen Horror vor diesem schmerzhaften Eingriff, ist froh, wenn er vorbei ist und hat dann auch keine Kraft mehr, sich für eine Quittung zu wehren.»
Gegenüber dem Puls-Tip meinte Brunner ausweichend, dass er «Quittungen anbietet». Offensichtlich müssen Patientinnen diese aber ausdrücklich verlangen.
Für Margrit Kessler, Präsidentin der Schweizerischen Patienten-Organisation, sieht Brunners Vorgehen «nach Mengenausweitung aus». Sein Verhalten sei «absolut inakzeptabel». Kessler empfiehlt Susanne Keller, sofort ihre Krankengeschichte bei Brunner abzuholen. Und an die Adresse aller Frauen: «Verlangen Sie immer eine Quittung und den Beipackzettel für das eingelegte Produkt.»
Eigentlich sollte das für sämtliche Frauenärzte selbstverständlich sein, wie Gynäkologen-Präsident Hohlfeld bestätigt: «Normalerweise muss der Arzt in den Patientenakten das Prozedere und die Spirale beschreiben.» Und wenn eine Patientin keine Quittung erhält, solle sie diese verlangen.
Alles über Spiralen
Was Sie wissen müssen, wenn Sie eine Spirale möchten:
Spiralen oder so genannte Intrauterinpessare sind entweder mit einem dünnen Kupferdraht umwickelt oder enthalten ein Hormon-Depot. Ihre «Fremdkörperreaktion» verändert die Gebärmutterschleimhaut und scheint so das Einnisten eines befruchteten Eis zu verhindern. Bei etwa 15 Prozent der Frauen verschiebt sich die Spirale, so dass das Risiko, schwanger zu werden, steigt.
- Fragen Sie den Arzt, welche Spirale er bei Ihnen einlegt.
- Verlangen Sie den Beipackzettel.
- Verlangen Sie bei Barzahlung eine Quittung.
Tragen Sie bereits eine Spirale, achten Sie auf Folgendes:
- Lassen Sie bei der Jahreskontrolle auch den Sitz der Spirale überprüfen.
- Wenn Sie Schmerzen oder Ausfluss haben oder beim Wasserlösen ein Brennen spüren, sollten Sie rasch zur Frauenärztin.
- Ein Blutungskalender erhöht die Sicherheit: Wenn die Mens fünf Tage überfällig ist, besteht die Gefahr, dass die Spirale versagt hat.
- Bei einer Schwangerschaft sollte die Spirale so rasch wie möglich entfernt werden.
- Ungeeignet ist die Spirale für sehr junge Frauen; darauf verzichten sollten Frauen mit Fehlbildungen im Genitalbereich, mit Diabetes oder starken Monatsblutungen, ebenso Frauen, die HIV-positiv sind.
Erfahrung mit Spiralen?
- Haben Sie gute oder schlechte Erfahrungen gemacht beim Einlegen von Spiralen oder bei der Bezahlung?
Schreiben Sie dem Puls-Tip:
Redaktion Puls-Tip, «Spirale», Postfach 277, 8024 Zürich, oder E-Mail: redaktion@puls-tip.ch
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