Benzinpreise - Raffinierte Preisaufschläge
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saldo 3/2000
16.02.2000
Schweizer Autofahrer haben im letzten Jahr deutlich mehr fürs Benzin bezahlt: 40 Millionen Franken davon wegen versteckter Margenerhöhung - Geld, das in die Taschen gewiefter Firmen fliesst.
Nein, wir haben unsere Margen nicht erhöht", sagt Kurt Sandmeier. Der schnauzbärtige Aargauer führt die Shell-Tankstelle in Hunzenschwil AG seit 16 Jahren. Sandmeier will nicht schuld sein an den hohen Benzinpreisen, die Schweizer Autofahrerinnen und Autofahrer entweder zur Weissglut trei...
Schweizer Autofahrer haben im letzten Jahr deutlich mehr fürs Benzin bezahlt: 40 Millionen Franken davon wegen versteckter Margenerhöhung - Geld, das in die Taschen gewiefter Firmen fliesst.
Nein, wir haben unsere Margen nicht erhöht", sagt Kurt Sandmeier. Der schnauzbärtige Aargauer führt die Shell-Tankstelle in Hunzenschwil AG seit 16 Jahren. Sandmeier will nicht schuld sein an den hohen Benzinpreisen, die Schweizer Autofahrerinnen und Autofahrer entweder zur Weissglut treiben oder in Resignation versinken lassen. Wer kann schon was tun gegen die hohen Preise?
Dreizehn Mal hat der Treibstoff im letzten Jahr aufgeschlagen: seit Januar 1999 um mehr als zwanzig Rappen. Der jüngste Preisanstieg um drei Rappen folgte erst letzte Woche. Jetzt kostet der Liter Benzin so viel wie seit 1981 nicht mehr: durchschnittlich 1.33 Franken.
Doch Tankstellenpächter Sandmeier hat nichts von den höheren Preisen. Im Gegenteil. Die Marge auf Benzin sei in den letzten Jahren immer stärker unter Druck geraten. Sandmeier: "Ohne unseren Tankstellen-Shop könnten wir nicht überleben."
Kassensturz warf einen Blick auf die Einstandspreise in Basel und verglich diese mit den Säulenpreisen an der Tankstelle. Fazit: Die Säulenpreise sind nur dann angestiegen, wenn zuvor in Basel das Benzin mehr gekostet hatte. Sandmeier hat also seine Marge nicht erhöht.
Schlechte Zeiten, aber nicht für alle
Kassensturz folgte dem Weg des Benzins weiter nach Norden. Ein Drittel des Benzins kommt über den Rhein in die Schweiz. Steigen die Transportkosten, schlägt das bis an die Zapfsäule durch. Roger Melin, Disponent des grössten Benzintransporteurs Vopak, meint: "Das Hochwasser im Frühjahr hat uns Probleme gemacht. Die Schiffe konnten vier Wochen nicht fahren." Im zweiten Halbjahr sei das Frachtvolumen nied-rig geblieben. "Ein katastrophales Jahr", sagt er. Kassensturz hat auch diese Aussage durchleuchtet und die Transportpreise des letzten Jahres analysiert. Die Berechnungen bestätigen: Die Vopak verdient nicht mehr als früher.
Von schlechten Zeiten sprechen jedoch auch die Raffinerien. Sie befinden sich mehrheitlich im Besitz der grossen Ölmultis. Die Lage sei angespannt, es gebe Überkapazitäten von zehn Prozent. Kassensturz rechnete auch hier nach - und fand Erstaunliches. Das Produkt der Raffinerien, das Benzin, hat im letzten Jahr mehr aufgeschlagen als das Rohöl. Fazit: Die Marge beim Benzin hat sich erhöht.
Rolf Hartl, Geschäftsführer der Schweizer Erdöl-Vereinigung, bestätigt die Recherchen. "Im letzten Sommer gab es eine relativ hohe Nachfrage nach Benzin, was zu einem kurzzeitigen Anstieg der Raffinerie-Marge geführt hat", meint der Mann, der solch grosse Firmen wie Esso, Shell und BP in der Schweiz vertritt. Hier spiele eben Angebot und Nachfrage.
Aufschläge werden weiterverrechnet
Das so genannte Spiel von Angebot und Nachfrage hat Konsequenzen: Die Marge ist seit Anfang 1999 um fast zwei Rappen pro Liter gestiegen. Die Händler geben den Aufpreis also weiter. Von Rotterdam nach Basel, von Basel an die Tankstellen.
So sieht die Rechnung für die Autofahrer aus: Die Raffinerien erhöhten 1999 ihre Marge um 0,9 Rappen pro Liter, das ergibt bei einem jährlichen Benzinverbrauch von 3,8 Millionen Tonnen 40 Millionen Franken. Viel Geld, das nicht etwa in den Strassenbau fliesst, sondern in die Taschen von gewieften Managern in Rotterdam.
Reto Gerber