Das Übel mit dem Kübel
Mülleimer und Abfallsack sind zwar füreinander bestimmt, aber zwischen den beiden herrscht alles andere als Harmonie. Eine Stichprobe ergab: Kein Kehrichtkübel passt zu den Schweizer 35-Liter-Normbeuteln.
Inhalt
Haus & Garten 2/2006
22.03.2006
Bennie Koprio
Jede Woche derselbe Frust: Der Abfalleimer quillt über; zieht man den 35-Liter-Sack heraus, ist dieser noch halb leer. Dabei gibt es verschiedene Argumente, die dafür sprechen, den Beutel im Behälter möglichst voll zu kriegen:
- Sie wohnen in einer Region mit Sackgebühren, und die sind teuer.
- Sie wissen nicht, wohin mit dem halb leeren, müffelnden Beutel, bis die Abfuhr ihn abholt.
- Sie haben mit Gartensitzplatz oder Balkon Erfreulicheres vor, als ihn in ein Zwische...
Jede Woche derselbe Frust: Der Abfalleimer quillt über; zieht man den 35-Liter-Sack heraus, ist dieser noch halb leer. Dabei gibt es verschiedene Argumente, die dafür sprechen, den Beutel im Behälter möglichst voll zu kriegen:
- Sie wohnen in einer Region mit Sackgebühren, und die sind teuer.
- Sie wissen nicht, wohin mit dem halb leeren, müffelnden Beutel, bis die Abfuhr ihn abholt.
- Sie haben mit Gartensitzplatz oder Balkon Erfreulicheres vor, als ihn in ein Zwischenlager für Haushaltkehricht zu verwandeln.
Um endlich dem Dauerfrust mit halb leeren, das Entree verpestenden Müllsäcken zu entgehen, blieb nur eines: Läden abklappern auf der Suche nach jenem Behälter, der am besten zum Beutel passt.
Da Schweizer Müllsäcke aus zwei simplen, zusammengeschweissten Plastikrechtecken bestehen, erschien für den Behälter eine ovale Form die beste: So könnte der Müll besser in die beiden unteren Ecken gelangen. Bei Pfister fand sich zwar ein solches Modell. Es brauchte aber nur wenig Augenmass, um zu erkennen: Der 154 bis 173 Franken teure 30-Liter-Eimer der Marke Brabantia ist zu hoch und zu schmal.
Resultat nach dem Besuch von einem Dutzend Läden von Carrefour über Globus bis Landi: Mülleimer gibts zwar an jeder Ecke, meist jedoch nur bis 25 Liter Inhalt. Und die sind für den Normsack schlicht zu klein. Die Ausbeute des Einkaufstrips in und um Zürich ist entsprechend mager: Nur zwei Produkte haben einigermassen taugliche Masse - der 30-Liter-Kübel, gekauft bei Migros Neumarkt Oerlikon, und der Eimer mit dem gleichen Fassungsvermögen bei Coop Bau + Hobby. Dasselbe Modell wurde später bei Jumbo gesichtet.
Der Pressboy hält nicht, was Anbieter versprechen
Pikant: Beide Kübel sind von Rotho, beide sind rund und unterscheiden sich nur durch Deckel und Preis: Das Migros-Modell zu 19 Franken hat einen flachen Deckel mit seitlichem Schieber, der Coop-Kübel kostet 25 Franken und hat einen halbkugelförmigen Deckel mit einem Schieber, der sich nach oben öffnen lässt.
Doch dann flatterte ein Katalog ins Haus, und da warens plötzlich drei, die einigermassen tauglich erschienen: Haus & Hobby empfiehlt den Pressboy-Mülleimer speziell für 35-Liter-Säcke. Der Eimer mit der Press-Mechanik - Kostenpunkt 59 Franken - soll zudem ein Spartipp sein: «Mit dem Pressboy-Mülleimer verringern Sie das Volumen Ihres Abfalls um zwei Drittel», so die Werbung. «Sie sparen Müllsäcke und teure Sackgebühren.»
Doch der Praxistest mit Haushaltkehricht zeigt: Der viereckige Pressboy ist für 35-Liter-Säcke etwas zu schmal. Ausserdem lässt sich der Müll mit dem eingebauten Schieber nur um rund einen Fünftel zusammendrücken. Ist der Eimer voll, ist im Sack noch reichlich Platz. Fazit: Der hochgelobte Pressboy hält seine Versprechen nicht.
Weniger zu bemängeln gab der Rotho-Eimer von Migros.
Allerdings sass der Sack etwas gar fest am Rand; zwischen Eimer und Beutel bildeten sich Luftblasen, die man von Hand herausdrücken musste. War der Eimer voll, hatte es im Beute- noch Platz. Wer in Bad und Büro aber zwei kleine Müllschlucker betreibt und fleissig füttert, kann mit deren Inhalt den 35-Liter-Sack ziemlich prall kriegen.
Als grosse Schwäche des Migros-Eimers entpuppte sich der flache Deckel: Der Kübel war noch nicht ganz gefüllt, da klemmte der Schieber. Er hatte sich in sperrigen Teilen im Müll verfangen.
Am besten schnitt das Modell von Coop ab. Das Befüllen des Eimers verlief gleich wie beim Migros-Modell - schliesslich handelte es sich um den gleichen Kübel von Rotho. Als grosses Plus erwies sich aber der kugelige Deckel. Der Schieber liess sich problemlos öffnen, obwohl der Eimer schon randvoll war. Nur: Auch bei diesem Modell war der Beutel im Eimer nicht ganz gefüllt. Was weiter nicht erstaunt - der Behälter fasst 30 Liter, der Beutel hingegen deren 35.
Auch Spezialist Ochsner kennt keine Patentlösung
Allerdings: Auch ein Eimer mit just 35 Liter Inhalt bietet keine Garantie, dass sich darin der Normsack wirklich füllen lässt. Denn nicht das übereinstimmende Fassungsvermögen bewirkt, dass Sack und Kübel harmonieren. «Die Höhe und der Durchmesser müssen stimmen», sagt Thomas Simmler von der J. Ochsner AG in Urdorf ZH, die noch heute den legendären verzinkten Ochsner-Kübel vertreibt. Den gibts zwar als 35-Liter-Modell. «Aber», winkt Simmler ab, «der verjüngt sich nach unten. Ein Abfallsack passt nicht eins zu eins hinein.»
Auch Simmler hat noch keinen Mülleimer gesehen, der perfekt zum Schweizer Normsack passt, und meint: «Das ist doch eine Marktlücke.» Für diese scheint sich aber niemand zu interessieren.