Editorial - Ärzte-Präsident Brunner hat Recht
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Gesundheitstipp 2/2000
01.02.2000
Sollen die Ärzte entscheiden, ob ältere Leute ab 75 keine Dialyse mehr erhalten? Oder ob die Altersgrenze für ein künstliches Hüftgelenk bei 80 Jahren sein soll? Oder welche Leistungen die Grundversicherung nicht mehr zahlt? Nein. Auf die Kriterien einer Rationierung der Medizin müssen wir uns alle einigen.
FMH-Präsident Hans Heinrich Brunner fordert deshalb schon lange eine öffentliche Diskussion, wie sie in andern Ländern im Gange ist. Die Rationierung finde nä...
Sollen die Ärzte entscheiden, ob ältere Leute ab 75 keine Dialyse mehr erhalten? Oder ob die Altersgrenze für ein künstliches Hüftgelenk bei 80 Jahren sein soll? Oder welche Leistungen die Grundversicherung nicht mehr zahlt? Nein. Auf die Kriterien einer Rationierung der Medizin müssen wir uns alle einigen.
FMH-Präsident Hans Heinrich Brunner fordert deshalb schon lange eine öffentliche Diskussion, wie sie in andern Ländern im Gange ist. Die Rationierung finde nämlich bereits statt. Nur sprechen Ärzte in ihren Praxen und in Spitälern kaum offen darüber. Grund: Patienten könnten gegen die Ärzte klagen, weil sie nicht alle Mittel eingesetzt haben.
Unter den grossen Parteien weigert sich vor allem die SP, über Rationierungs-Kriterien zu reden. Der Ärzte-Präsident sowie der Gesundheits-Experte Gerhard Kocher von der Gesellschaft für Gesundheitspolitik zerpflücken die Argumente der SP:
1. «Wir wollen keine Klassen-Medizin.» Falsch: Ein demokratisch erarbeitetes Rationierungs-System fördert die Klassen-Medizin nicht, sondern verhindert sie. Ärzte sollen Arme, Alte oder weniger Gebildete nach den gleichen Kriterien behandeln oder nicht behandeln wie die Bessergestellten.
2. «Rationieren ist unsozial.» Falsch: Sozial ist nicht, wer die Rationierung ablehnt, sondern wer sich dafür einsetzt, dass Ärzte und Spitäler nach transparenten Grundsätzen gerecht und demokratisch entscheiden.
3. «Bevor man rationiert, kann man noch viel einsparen.» Auch Ärzte-Präsident Brunner gibt zu, dass «immer mehr Geld nutzlos vergeudet» wird. Nur: Die Lobbys von Ärzten, Pharmaindustrie, Spitälern und Kantonen bremsen das Sparen mit Erfolg. Die politisch realistische Devise muss deshalb lauten «Rationalisieren und Rationieren».
Kocher und Ärzte-Präsident Brunner haben Recht. Medizinische Leistungen dürfen nicht unkontrolliert rationiert werden. Mit dem Slogan «gegen Rationierung in der Medizin» kann die SP zwar einige Stimmen fangen, das Rationieren jedoch nicht verhindern.