Gibt es noch Gerechtigkeit auf dieser Welt?
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saldo 11/2000
07.06.2000
Die Stimme am Telefon hat etwas Leidendes, schwer Geprüftes. Doch so schlimm hört sich die Geschichte der Frau gar nicht an: Sie hatte vor acht Monaten die Rechnung eines beauftragten Elektrikers erhalten und diese für klar überrissen gehalten, weshalb sie nur einen Teil davon zahlte. 500 Franken behielt sie zurück.
Auf die Mahnungen reagierte sie nicht und erhielt prompt vom Betreibungsamt einen Zahlungsbefehl. "Und dann haben Sie Rechtsvorschlag erhoben, um die Betreibung ...
Die Stimme am Telefon hat etwas Leidendes, schwer Geprüftes. Doch so schlimm hört sich die Geschichte der Frau gar nicht an: Sie hatte vor acht Monaten die Rechnung eines beauftragten Elektrikers erhalten und diese für klar überrissen gehalten, weshalb sie nur einen Teil davon zahlte. 500 Franken behielt sie zurück.
Auf die Mahnungen reagierte sie nicht und erhielt prompt vom Betreibungsamt einen Zahlungsbefehl. "Und dann haben Sie Rechtsvorschlag erhoben, um die Betreibung zu stoppen?", frage ich sie. "Nein, ich hatte damals andere Sorgen, ich musste meinem Sohn bei der Scheidung beistehen ..."
Meine Antwort ist unter diesen Umständen eindeutig: "Dann empfehle ich Ihnen, die 500 Franken mitsamt dem Zins und den Betreibungskosten sofort zu bezahlen." Auch die diversen Wenn und Aber der Frau ändern nichts an meinem Rat. Jeder Versuch, nachträglich die verfahrene Situation retten zu wollen, kann scheitern und noch weit höhere Kosten nach sich ziehen. Dieses Risiko lohnt sich bei einem Streitwert von 500 Franken nicht. Schliesslich muss die Frau einsehen, dass auch ich sie nicht aus dem Schlamassel befreien kann.
So bleibt ihr nur noch die verzweifelte Frage: "Gibt es noch eine Gerechtigkeit auf dieser Welt?" In diesem Fall nicht. Wer alles falsch macht und wartet, bis ihm die Gerechtigkeit in den Schoss fällt, kann lange warten. Um die Gerechtigkeit muss man sich rechtzeitig bemühen, sie nimmt auch keine Rücksicht auf Mütter, die wegen Problemen ihrer Söhne keinen Rechtsvorschlag erheben.
Joëlle Kupfer-Matey