Hans Erni, 91: «Ich habe einen Bohrer im Bein»
Inhalt
Gesundheitstipp 9/2000
01.09.2000
Der Künstler über Chirurgenpfusch, Vitamine und unfallfreies Autofahren
Die Arbeit habe ihn jung erhalten, sagt der 91-jährige Hans Erni. Kein Wunder, denn der Künstler muss beim Malen manchmal täglich rund 50 Mal die Leiter hoch und wieder runter. Dies trotz Schmerzen in der Hüfte.
Herr Erni, Sie sind soeben aus den Ferien in Südfrankreich zurückgekehrt. Sassen Sie auch mal selbst am Steuer Ihres Autos?
Ja, selbstverständlich. Ich bin normal...
Der Künstler über Chirurgenpfusch, Vitamine und unfallfreies Autofahren
Die Arbeit habe ihn jung erhalten, sagt der 91-jährige Hans Erni. Kein Wunder, denn der Künstler muss beim Malen manchmal täglich rund 50 Mal die Leiter hoch und wieder runter. Dies trotz Schmerzen in der Hüfte.
Herr Erni, Sie sind soeben aus den Ferien in Südfrankreich zurückgekehrt. Sassen Sie auch mal selbst am Steuer Ihres Autos?
Ja, selbstverständlich. Ich bin normaler Brillenträger. Es gab in 70 Jahren nie einen grösseren Schaden als einmal ein eingedrücktes Blech.
Wie fühlen Sie sich?
Sehr gut. Ich habe in den Ferien gearbeitet. Es wären keine Ferien, wenn ich nicht arbeiten könnte.
Hält Malen jung?
Zweifellos. Ohne Arbeit kein Leben. Wer aktiv ist, bleibt lebendig und schläft nicht ein.
Kennen Sie Stress?
Ja. Wenn ich ein Bild in Angriff nehme, bin ich manchmal gestresst. Danach kommt eine bessere Zeit, die mir Erfüllung schenkt.
Wie gross und wie schwer sind Sie?
Bei der Aushebung fürs Militär war ich 180 Zentimeter gross. Heute bin ich etwa 5 Zentimeter kleiner und 80 Kilogramm schwer.
Haben Sie Übergewicht?
Ja. Etwa vier Kilo.
Sind Ihnen die Kilos lästig?
Ja. Besonders dann, wenn ich grosse Bilder male und auf der Leiter arbeite. Die Kilos schränken meine Bewegungsfreiheit ein.
Rauchen Sie?
Nein. Ich habe noch nie eine Zigarette angerührt.
Welchen Sport treiben Sie?
Ich schwimme täglich eine halbe Stunde in unserem Pool.
Welche Medikamente haben Sie im letzten Monat zu sich genommen?
Ein Mittel für mein angeschlagenes Gleichgewicht beim Gehen. Es ist kein Rausch, eher ein Zustand leichten Schwindels. Schmerzmittel nehme ich regelmässig.
Was tut Ihnen weh?
Die Hüfte. Ich musste schon dreimal künstliche Hüftgelenke einsetzen lassen. Und da ist noch etwas, das schmerzt ...
... nämlich was?
Mein Oberschenkel. Dort steckt ein abgebrochener Bohrer drin. Der Chirurg liess ihn zurück, als er vor 20 Jahren meine Hüfte flickte.
Sie liessen ihn nicht rausnehmen?
Er tat lange nicht weh. Doch seit einigen Jahren spüre ich ihn.
Haben Sie für den Fall einer schweren Erkrankung Massnahmen zur Sterbehilfe getroffen?
Nein. Ich denke nicht über das Sterben nach.
Wie sind Sie versichert?
Leider nur allgemein. Als die Zusatzversicherungen aufkamen, wollte mich wegen meines hohen Alters keine mehr aufnehmen. Ich zahle monatlich 260 Franken Prämie und bin seit Geburt bei der gleichen Krankenkasse.
Wie viele Stunden arbeiten Sie täglich?
Acht Stunden.
Wie lange dauert Ihre Mittagspause?
Zwei Stunden. Ich esse, mache ein Nickerchen und lese die Zeitung. Das ist wichtig: Der Geist sollte nicht nur lokal einigermassen auf der Höhe sein, sondern auch international.
Wie viele Stunden Schlaf brauchen Sie pro Nacht?
Sechs Stunden.
Was tun Sie, wenn Sie nicht einschlafen können?
Ich zähle rückwärts. Bei Bedarf in Englisch oder Französisch.
Macht Malen überhaupt müde?
Und wie. Ich malte kürzlich ein Bild, das war acht Meter breit und über zwei Meter hoch. Ich brauchte eine Leiter. Täglich 50 Mal rauf und wieder runter - da musste ich nachts nicht mal rückwärts zählen.
Benutzen Sie Alternativmedizin?
Nein. Ich bin wissenschaftsgläubig und glaube an die Schulmedizin.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Körper am besten?
Meine Hände. Sie sind der letzte Ausläufer dessen, was mein Bewusstsein tut und wünscht. Die Hände sind Verwirklicher.
Was stört Sie an Ihrem Körper?
Der Bauch. Er ist der lokal meistbetonte Teil des Körpers.
Ihr ganz persönlicher Schönheits-Tipp?
Ausgeglichenheit. Sie verleiht dem Leben die Wirklichkeit. Man sollte nicht abgleiten in Raubbau. Das tut die Natur auch nicht.
Hatten Sie einmal extrem starke Schmerzen?
Einmal traf mich eine Hockeykugel am Schienbein. Es entstand eine fünf Zentimeter dicke Geschwulst.
Wann werden Sie schwach?
Selten. Meist gehe ich dann schlafen.
Waren Sie jemals schwer krank?
Ja. Im Jahr 1916 gab es in der Schweiz eine Grippe-Epidemie. Ich überlebte, meine Schwester musste leider sterben.
Nimmt die sexuelle Aktivität im Alter ab?
Ja. Die Potenz reduziert sich. In der Jugend kann es alle Tage zu einem sexuellen Ausbruch kommen. Aber in diesem Tempo gehts im Alter nicht weiter.
Wie viele Aids-Tests haben Sie gemacht?
Keinen.
Nehmen Sie Vitamin-Tabletten?
Eine Multivitamin-Tablette täglich.
Weshalb?
Ein Freund von mir ist Nobelpreisträger. Er isst viele VitaminTabletten. Wenn er das tut, dann wirds für mich auch richtig sein.
Mit welcher Frucht oder mit welchem Gemüse würden Sie sich vergleichen?
Mit einem Apfel. Die Hülle und das Innere stimmen überein.
Interview: Thomas Grether