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Haus & Garten 1/1999
01.05.1999
Immobilienpreise, Baukosten und Hypothekarzinsen sind heute so tief, dass sich viele Mieter den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen könnten. In vielen Fällen lohnt es sich.
Der Immobilien- und Wohnungsmarkt hat sich in den letzten Jahren stark zu Gunsten der Konsumenten entwickelt: Das Angebot auf dem Markt ist laufend gewachsen, gesunkene Baukosten und historisch tiefe Zinsen haben das ihrige zu deutlich tieferen Preisen beigetragen.
Im Gegensatz zu frü...
Immobilienpreise, Baukosten und Hypothekarzinsen sind heute so tief, dass sich viele Mieter den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen könnten. In vielen Fällen lohnt es sich.
Der Immobilien- und Wohnungsmarkt hat sich in den letzten Jahren stark zu Gunsten der Konsumenten entwickelt: Das Angebot auf dem Markt ist laufend gewachsen, gesunkene Baukosten und historisch tiefe Zinsen haben das ihrige zu deutlich tieferen Preisen beigetragen.
Im Gegensatz zu früheren Jahren können sich viele Leute heute Wohneigentum leisten. Täglich sind denn auch tausende von Eigentumsobjekten in den Zeitungen zum Kauf ausgeschrieben. «Kaufen statt mieten» heisst die Losung.
Doch, so paradox es klingt, die Wahl des «richtigen» Objekts ist dadurch selbst für viele ernsthafte und gut informierte Kaufinteressenten nicht einfacher geworden. Damit das Aufspüren des Traumobjekts zum Ziel führt, braucht es vor allem eines: Sie sollten sich zuerst Klarheit über Ihre eigenen Bedürfnisse verschaffen. Das bietet am ehesten Gewähr, sich nicht vom Angebot blenden oder gar von der Verkaufswerbung verführen zu lassen.
Am besten stellen Sie vor der ersten Besichtigung einen Anforderungskatalog, eine «Checkliste» auf. Dazu gehören Angaben zur gewünschten Lage sowie Ihre Preisvorstellungen.
Dabei gilt es, so ehrlich wie möglich die eigenen Vorstellungen herauszufinden - unabhängig von dem, was Freunde sagen, von Prestigedenken und den schönen Bildern in Wohnmagazinen.
- Was braucht es wirklich?
Im Einfamilien-Hausbau sind nach wie vor offene Grundrisse mit grosszügig bemessenen Wohn-Ess-Bereichen in Mode - ob die Bewohnerinnen und Bewohner nach dem Einzug ins Haus aber wirklich wissen, wie sie diese «Wohnhallen» einrichten und nutzen sollen, ist eine andere Frage. Viele hätten manchmal wohl doch lieber eine Türe zum Zumachen.
Gerade bei solchen Konzepten behandeln die Architekten anderseits die Kinderzimmer geradezu stiefmütterlich. Vielen Planern einer solchen Bauweise scheint es nicht in den Sinn zu kommen, dass Kinder in ihrem Bewegungsdrang mehr Platz brauchen als Erwachsene, die häufig vor dem Fernseher sitzen oder an einem Schreibtisch arbeiten. Grössere Kinderzimmer vorzusehen lohnt sich schon allein aus Gründen der Flexibilität: Dies lässt später nämlich eine andere Nutzung zu, etwa als Elternschlaf-, Arbeits- oder Gästezimmer.
- Immobilieninserate richtig lesen! In der Werbung und in den Immobilieninseraten operieren die Anbieter gezielt mit all den Träumen, die sich ums Wohnen drehen: «Leben auf der Insel», «Träume bauen», «Wunschtraum mit Seesicht».
Einige schwarze Schafe versuchen es gar mit unwahren Behauptungen - so ist ein Slogan wie «Wertsteigerung garantiert» angesichts der starken Auf- und Abbewegungen der Immobilienpreise in den letzten Jahren schlicht irreführend.
Als reine Schönwetter-Berechnungen erweisen sich meist auch die in Inseraten genannten Zahlen für die monatlich anfallenden Kosten - längerfristig aufzubringende Unterhalts- und Folgekosten, aber auch ein möglicher Anstieg aufgrund steigender Hypothekarzinsen blenden solche Werbebotschaften meist elegant aus.
Die finanzierende Bank hingegen wird dies in einer Tragbarkeitsrechnung für Sie und Ihr Objekt sehr wohl einkalkulieren. Man kommt also nicht darum herum, eigene Berechnungen anzustellen.
So sollten Sie auch die Sprache in den Annoncen kritisch auf ihren effektiven Gehalt prüfen: Handelt es sich beim «exklusiven Liebhaberobjekt» um einen kaum marktgängigen Prunkbau, dessen Kauf heute ein beträchtliches Risiko darstellt? Entspricht die gediegene Ausstattung mit «Marmor, Granit und Sprudelbad» tatsächlich den üblichen Lebensgewohnheiten?
Viel wert ist dagegen ein Grundriss, der eine flexible Nutzung gestattet. Ein Konzept, das mit der Grösse der Zimmer und der Anordnung der Steckdosen den Platz für Fernseher, Sofa, Schreibtisch und Bett von Anfang an vorgibt, ist sicher nicht zeitgemäss, denn je nach Lebensphase, in der man sich befindet, wandeln sich die Bedürfnisse laufend. Beispielsweise durch Familienzuwachs, wenn die Kinder später ausziehen oder im Alter.
- Miete oder Kauf? Eine Zeit lang galt die Wahl zwischen Miete oder Eigentum gewissermassen als Glaubensfrage, ja als «Entscheid fürs Leben». Doch die Einstellung zum Wohnen hat sich in den letzten Jahren gewandelt; besonders die jüngere Generation geht heute sehr viel unvoreingenommener an dieses Thema heran.
Ausschlaggebend sind damit ganz praktische Überlegungen: Ist am bevorzugten Wohnort Kaufen oder Mieten günstiger? Bieten die beruflichen Aussichten und die Einkommensentwicklung ein genügendes finanzielles Polster, um Wohneigentum längerfristig finanzieren zu können? Spricht ein bevorstehender Auslandaufenthalt oder eine geplante Weiterbildung nicht eher für die Miete, um keine allzu grossen finanziellen Verpflichtungen einzugehen? - Solch pragmatisches Denken zeigt sich heute an vielen Beispielen, etwa bei all den jungen Paaren, die heute Wohneigentum auf Zeit erwerben: Man hat es, solange es den Bedürfnissen entspricht und einen Nutzen bringt, ansonsten trennt man sich davon.
Auch in Bezug auf die Auswahl angebotener Häuser und die gesunkenen Preise ist Wohneigentum schon fast zu einem normalen Konsumgut geworden.
Einfamilienhäuser bieten Gestaltungsfreiheiten und Freiräume, die den Eigentümern zustehen. Gerade dies ist auch heute für viele junge Familien mit Kindern das Hauptmotiv, etwas Eigenes erwerben zu wollen. Die eigenen vier Wände dienen der freien Entfaltung.
Für die Miete spricht anderseits die grössere Ungebundenheit in finanzieller Hinsicht und der wesentlich geringere Aufwand: Eine Mietwohnung kann man kurzfristig kündigen; um Unterhalt, Reparaturen und Verwaltung braucht man sich nicht zu kümmern. Wohneigentum hingegen verlangt einem einen grösseren Zeitaufwand ab, bietet dafür aber auch die Freiheit, das Haus oder die Wohnung nach eigenem Gusto selbst einrichten, ausbauen oder umbauen zu können.
Wohnen Sie in den eigenen vier Wänden, gehen Sie zudem kein Kündigungsrisiko ein, denn als «Herr und Meister» in den eigenen vier Wänden ist man weder der Willkür eines Hausbesitzers noch den Launen einer Verwaltung ausgesetzt.
Anderseits bürdet man sich mit Wohneigentum eine längerfristige finanzielle Belastung auf (Hypothekarzinsen, Amortisation, Reparatur- und Unterhaltskosten) und nimmt im Falle eines Umzugs einen wesentlich höheren Aufwand, aber auch ein Risiko in Kauf - denn zuerst müssen Sie einen Käufer für die Liegenschaft finden, der das Objekt im Rahmen Ihrer Preisvorstellungen erwirbt.
Jürg Zulliger
WOHNEIGENTUM - Die 10 wichtigsten Punkte
1. Maximal möglicher Preis
2. Lage: Wie steht es um Immissionen (Lärm und Geruch)? Wie wichtig sind Ihnen Ruhe, Sonne und Aussicht?
3. Merkmale der Gemeinde und des Wohnumfeldes: Freizeitangebot, Einrichtungen für Kinder, Sport, medizinische Versorgung etc.
4. Erschliessung mit öffentlichem und privatem Verkehr
5. Distanzen zu Arbeitsplatz, Schule und Einkaufsmöglichkeiten
6. Architekturstil und Bauweise: klassisch «alt» oder modern?
7. Grösse und Anzahl der Zimmer
8. Grundriss allgemein, Flexibilität hinsichtlich der später nötigen Änderungen
9. Innenausbau, Farben und Materialien: Ästhetik, praktischer Nutzen und Dauerhaftigkeit
10. Soziales Umfeld, Nachbarschaft
Kreuzen Sie nach jeder Besichtigung die erfüllten Punkte an. Erst wenn ein Objekt mindestens sieben oder acht Anforderungsmerkmale erfüllt, sollten Sie das Angebot ernsthaft prüfen. Bedenken Sie jedoch, dass 100-prozentige Übereinstimmung kaum je möglich ist.