Keine falsche Panik
Der Bundesrat will die Renten weiter kürzen. Die Versicherer machen daraus ein Argument zum Verkauf von Lebensversicherungen.
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saldo 20/2006
06.12.2006
Franco Tonozzi
Der Bundesrat will die Renten aus der zweiten Säule markant reduzieren. Der Umwandlungssatz soll bis 2011 auf 6,4 Prozent gesenkt werden. Eine Frau, die 100 000 Franken auf dem Alterskonto hat, bekäme dann nur noch eine Jahresrente von 6400 statt wie heute 7200 Franken - mehr als 10 Prozent weniger. «Das würde vor allem bei jenen zu Problemen führen, die ohnehin wenig Rente bekommen», sagt der Berner Sozialversicherungsexperte Werner C. Hug. Er erkennt im Vorschlag der Landesregierung eine...
Der Bundesrat will die Renten aus der zweiten Säule markant reduzieren. Der Umwandlungssatz soll bis 2011 auf 6,4 Prozent gesenkt werden. Eine Frau, die 100 000 Franken auf dem Alterskonto hat, bekäme dann nur noch eine Jahresrente von 6400 statt wie heute 7200 Franken - mehr als 10 Prozent weniger. «Das würde vor allem bei jenen zu Problemen führen, die ohnehin wenig Rente bekommen», sagt der Berner Sozialversicherungsexperte Werner C. Hug. Er erkennt im Vorschlag der Landesregierung einen Kniefall vor den Versicherern. «Die haben eine starke Lobby in Bern», sagt Hug. Sogar die bürgerliche Politikerin und künftige Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi spricht von einer «Hauruckübung», die nicht durchgeführt werden dürfe.
Versicherungen lancieren schon neue Angebote
Den Versicherungen kommt die Angst vor Rentenkürzungen sehr gelegen. Sie wittern neue Kunden: «Die Zürich begegnet der möglichen Senkung des Umwandlungssatzes mit neuen, bedarfsgerechten Lebensversicherungen, die ab 2007 angeboten werden», gibt Mediensprecherin Katrin Schnettler zu. Noch schneller war die Generali. Sie wirbt für eine fondsgebundene Lebensversicherung, die «im Alter drohende Einkommenslücken» schliessen soll. In ihrem Werbeversand schürt die Gesellschaft Ängste: Ohne rechtzeitige Absicherung würde nach der Pensionierung «am Ende des Monats ein Loch in der Kasse bleiben». Dem Mailing ist ein Gutschein beigelegt, mit dem man bis zum 18. Dezember eine Gratisofferte erhält. Damit verkauft die Generali ihre Kunden für dumm. Offerten sind immer kostenlos - auch ohne Gutschein, und auch nach dem 18. Dezember.
Wichtig: Zurzeit besteht kein Grund zur Panik. Der Vorschlag des Bundesrats muss zuerst vom Parlament und im Falle eines Referendums auch von der Bevölkerung angenommen werden. Das ist unwahrscheinlich. Denn die Argumente des Bundesrats für die erneute Rentenkürzung halten einer Überprüfung nicht stand.
Entwicklung der Lebenserwartung schon berücksichtigt
Die Regierung behauptet erstens, die Lebenserwartung nehme zu. SP-Nationalrat und BVG-Experte Rudolf Rechsteiner kommt jedoch zum Schluss, dass dieses Problem bei den bisherigen Senkungen des Umwandlungssatzes auf 6,8 Prozent schon berücksichtigt wurde. Zudem hat das Bundesamt für Statistik die Zunahme der Lebenserwartung bei Frauen nach unten korrigiert. «Das Problem der Lebenserwartung wird überschätzt», sagt auch Werner C. Hug. «Wenn mehr Frauen in den Arbeitsprozess eintreten, dann nimmt deren Lebenserwartung wieder ab.» Tatsächlich: In der Periode 2000 bis 2005 ist die Lebenserwartung der über 65-jährigen Frauen zurückgegangen.
Das zweite Argument von Bundesrat und Versicherern: An den Finanzmärkten werde künftig weniger verdient. Auch das sieht Hug weniger dramatisch. Er weist auf einen Widerspruch hin: «Die Versicherer planen Eigenkapitalrenditen von 10 Prozent ein. Den Kunden erzählen sie aber, dass man kaum mehr als 3 Prozent erwirtschaften könne.» Hug hat ausgerechnet, dass die Rendite im Schnitt der letzten 20 Jahre über 6 Prozent lag. Letztes Jahr haben die Pensionskassen sogar 11 Prozent herausgeholt.
«So sind Sie richtig versichert»
Aus dem Inhalt: Private Versicherungen im Überblick, 33 Prämien- und Leistungsvergleiche, Checklisten und Tipps. Bestellkarte auf Seite 24.