Der Regionalverkehr in der Schweiz funk­tioniert so: Bund und ­Kantone bestellen die gewünschten Leistungen bei Transportunternehmungen. Bleiben Kosten ungedeckt, werden sie von Bund und Kantonen bezahlt. Sprich: von den Steuerzahlern.

Gewinne sind im Regional­verkehr nicht vor­gesehen. Fallen trotzdem Überschüsse an, dürfen sie den Bestellern nicht verheimlicht werden. Überschüsse wären ein Hinweis, dass das Transportunter­nehmen die Kosten zu vorsichtig geschätzt hat. Als Folge würden dann ­weniger Subventionen fliessen. Die Verantwortlichen der Post haben diesen gesetzlich festgelegten Mechanismus über Jahre systematisch hintergangen. Das zeigen die ­vergangene Woche vor­gestellten Untersuchungsberichte zum Postauto­skandal. 

Gewinn auf Kosten der Steuerzahler

Konkret: Die tatsächlichen Kosten für die Buslinien waren in der Regel wesentlich tiefer, als Postauto angab. Um das zu verstecken, wurden bei der Rechnungslegung zusätzliche fiktive Kosten gebucht, effektive Erlöse buchte man weg in die Sparte «Übriges». Von 2007 bis 2015 erzielte der Postkonzern so über 90 Millionen Franken ­Gewinn auf Kosten der Steuerzahler.

Die Berichte weisen akribisch nach, mit welcher Energie bei der Post vertuscht und manipuliert wurde. Eine Zusammenfassung:

Die Experten und die beigezogene Anwaltskanzlei untersuchten nur den Zeitraum von 2007 bis 2015. Sie halten aber ex­plizit fest: «Es ist davon auszugehen, dass die Mani­pulationen weit vor dem Jahr 2007 angeordnet ­wurden.» Tatsächlich: Bereits 1999 schrieb Post­auto-Chef Daniel Landolf in ­einer Weisung an Unter­gebene, es seien Um­buchungen vorzunehmen. 

Intern sprachen die ­Verantwortlichen Klartext. In einer Aktennotiz zu ­einer Besprechung vom 27. März 2007 zum Thema Rechnungs­wesen steht, man habe «die ­Gewinne in Form von ­höheren Kosten einge­rechnet», um Abgeltungskürzungen zu verhindern. An der Besprechung dabei waren unter anderem der damalige Konzernleiter ­Ulrich Gygi und Postautochef Landolf.

Im Juni 2012 stellte der Preisüberwacher Stefan Meierhans kritische Fragen. Die Postverantwortlichen entschieden, ihm «vorerst nicht alle gewünschten Unterlagen vorzulegen». In ­einem Schreiben hakte Meierhans im Dezember 2012 nach: «Seit Juni versuchen wir von Postauto Auskunft zu bekommen, wo genau die 28 Millionen Franken Gewinne von Postauto im Jahr 2011 erwirtschaftet wurden und wie es kommt, dass in der Rechnung gegenüber dem Bundesamt für Verkehr nur ein Gewinn von 2,7 Mil­lionen Franken ausge­wiesen wird.» Der Vorstoss ­versandete ergebnislos.

Die einzelnen Umbuchungen – insgesamt rund 200 000 – waren laut Bericht «rein fiktiv und nicht auf der Basis von effektiven Kosten vorgenommen worden». Verschiedene Mit­arbeiter in den Regionen warnten vor dieser Praxis. 

Skrupel an der Basis, mangelndes Rechtsemp­finden in den Post-­Chefetagen: Der Unter­suchungsbericht kommt zum Schluss, dass die Verantwortlichen mit Vorsatz handelten. Statt die ris­kante Buchungspraxis zu ändern, startete die Post ein Projekt zur juristischen ­Anpassung der Konzern­strukturen – um auf diese Weise die ­Gewinne eleganter zu verstecken. Das Projekt hiess zu Beginn bezeichnenderweise «Value Save», dann «Firma», am Schluss «Impresa». Der ­Untersuchungsbericht hält fest: «Es ging stets darum, den Gewinn für Postauto zu ­sichern.»

Die Renditevorgaben macht der Bundesrat

Der Expertenbericht spricht von einem «kollektiven menschlichen Versagen». Die unrechtmässigen Buchungen seien einem ­«Personenkreis von beträchtlicher Grösse bekannt ­gewesen». Mit anderen Worten: Falschbuchungen und Tricksereien waren bei der Post an der Tages­ordnung. Gewinne um ­jeden Preis – das ist die Devise. Verantwortlich dafür ist letztlich der Bundesrat.  Er verlangt von der Post «in ­allen Geschäftsfeldern eine branchenübliche Rendite». So steht es in den strategischen Zielen des Bundesrats.

Apropos strategische ­Ziele: Der Bundesrat verlangt von der Post auch eine «transparente Kommuni­kationspolitik». Tatsache ist: Die Untersuchungs­berichte sind in der öffentlich vorgelegten Fassung stark zensiert. Die Aus­führungen der Gutachter zu Themen wie «Persön­liche Bereicherung», «Kenntnis auf ­Konzernstufe», «Hinweise auf die Rechtswidrigkeit» erfährt die – zahlende – ­Öffentlichkeit nicht.