"Nahtloser Übergang von Kinderkrankheiten zu Altersbeschwerden"
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saldo 2/2000
02.02.2000
Der Image-Schaden für den Pendolino ist enorm": Bereits im Sommer 1996 kam Paul Blumenthal, Chef Personenverkehr der SBB und Verwaltungsrat der Cisalpino AG, zu dieser ernüchternden Feststellung. Damals lieferte Hersteller Fiat die Neigezüge nicht pünktlich.
Seither halten die Probleme mit den 250 Millionen Franken teuren neun Zügen an: Zwar kann der Fahrplan inzwischen eingehalten werden, doch die Komfortmängel sind weiterhin gross (siehe oben). "In den vergangenen Monaten ...
Der Image-Schaden für den Pendolino ist enorm": Bereits im Sommer 1996 kam Paul Blumenthal, Chef Personenverkehr der SBB und Verwaltungsrat der Cisalpino AG, zu dieser ernüchternden Feststellung. Damals lieferte Hersteller Fiat die Neigezüge nicht pünktlich.
Seither halten die Probleme mit den 250 Millionen Franken teuren neun Zügen an: Zwar kann der Fahrplan inzwischen eingehalten werden, doch die Komfortmängel sind weiterhin gross (siehe oben). "In den vergangenen Monaten musste Cisalpino bei ihren Zügen einen nahtlosen Übergang von den Kinderkrankheiten zu den Altersbeschwerden feststellen", schrieb Blumenthal im Herbst 1999 an das SBB-Personal. Er verstehe, wenn Mitarbeiter mit der Motivation zu kämpfen haben, "auch mir sind schon Deckenteile auf den Kopf gefallen". Man sei sich bewusst, dass es so nicht wei-tergehen könne, "die Situation ist für unsere Kunden inakzeptabel".
Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Neigezug nicht mehr zugelassen würde: Anfang der 80er Jahre wurde der "Advanced Passenger Train APT" in England nach nur zwei Jahren und zahl-reichen Pannen aus dem Verkehr gezogen. Die Britische Bahn verkaufte ihre Technologie damals nach Italien und lieferte die technische Basis für den "Pendolini" - den Vorläufer des heutigen Cisalpino-Zuges "Pendolino".
Die SBB hat jetzt ihren Druck auf Hersteller Fiat massiv erhöht und gedroht, den Cisalpino aus dem Verkehr zu ziehen, wie Blumenthal gegenüber saldo erstmals bestätigt. Soweit sei man jetzt aber nicht: Mit einem Massnahmenpaket will die SBB dafür sorgen, dass Pleiten und Pannen der Vergangenheit angehören.
"Diese klare Sprache gegenüber Fiat und der italienischen Staatsbahn FS hat es gebraucht. Jeder der neun Cisalpino-Züge wird grundlegend überarbeitet. Es geht nicht um Reparaturen, sondern um eine komp-lette Sanierung. Mangelhafte Systeme wie Türschliessungen oder Toiletten werden komplett ersetzt", betont Blumenthal. Die Kosten in geschätzter Millionenhöhe muss Fiat grösstenteils als Garantieleistungen übernehmen. Ein kleiner Teil belaste das Budget der Cisalpino AG. Ein oder zwei der Züge würden permanent ausser Betrieb sein und in Mailand saniert. Blumenthal ist optimistisch, dass die Grossrevision im Herbst 2000 abgeschlossen sein wird.
Bereits jetzt verkehren überarbeitete Züge in der Schweiz. "Ihre Qualität ist deutlich besser", sagt Blumenthal: "Wir werden am Ball bleiben, die Leitung dieser Sanierung liegt bei den SBB." Cisalpino-Passagiere werden die Bundesbahn beim Wort nehmen.