Die Angaben der Autokonzerne zu Spritverbrauch und Schadstoffausstoss waren bisher reine Theorie. Die Differenz zwischen dem deklarierten und dem tatsächlichen Treibstoffverbrauch wurde in den vergangenen Jahren sogar noch grösser (K-Tipp 11/2012).
Jetzt sollen zwei neue Tests diese Irreführung der Kunden verhindern und für realistischere Angaben sorgen. Auf dem Prüfstand werden bei neuen Autotypen in Europa Verbrauchs- und Abgaswerte länger gemessen als bisher – nämlich 30 statt 20 Minuten, zudem mit mehr Beschleunigungen und höherem Tempo. Zusätzlich werden die Abgase bei einer normalen Fahrt auf der Strasse gemessen.
Trotzdem werden die Autos auch künftig mehr Sprit schlucken und Abgase ausstossen als angegeben. Davor warnen die Umweltorganisation ICCT – sie hatte den VW-Abgasskandal publik gemacht – und Verkehrsexperte Axel Friedrich. Er war früher Leiter der Abteilung Verkehr beim deutschen Umweltbundesamt. Grund: Auch bei den neuen Messmethoden gebe es Schlupflöcher. Konkret kritisieren sie folgende Punkte:
Beim Labortest ist die Temperatur mit 14 bis 23 Grad Celsius vorgegeben. Autos sind aber auch bei anderen Temperaturen unterwegs.
Energieverbraucher wie Klimaanlage oder Radio sind bei den Messungen stets ausgeschaltet.
Die Hersteller können für die Prüfung einen spritsparenden Leichtlaufreifen verwenden.
Niemand kontrolliert, ob das getestete Vorserienfahrzeug mit den späteren Serienautos übereinstimmt.
Der Ausstoss an Stickoxid darf beim Strassentest von Dieselautos den Grenzwert um mehr das Doppelte übersteigen, ab 2020 darf er noch 50 Prozent darüberliegen.
Der Labortest wird entweder von einem technischen Dienst wie zum Beispiel dem TÜV im Auftrag des Herstellers durchgeführt. Oder der Autokonzern führt die Messungen selbst durch und lässt sich vom TÜV nur beaufsichtigen. Der Strassentest wird in bis zur Hälfte aller Fälle vom Hersteller selbst durchgeführt.
Die Labortests können durch Software in den Autos weiterhin erkannt und manipiuliert werden.
Neun von zehn der meistverkauften Autos in der Schweiz kommen aus Deutschland. Der K-Tipp wollte vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt wissen, ob Nachprüfungen von Messresultaten und Nachkontrollen stattfinden werden. Die Behörde hat die Fragen nicht beantwortet. Das Bundesamt regelt die Zulassung der deutschen Autos für ganz Europa.
«Prüfung ohne Beaufsichtigung»
Peter Mock, Europa-Chef von ICCT, ist skeptisch: «Es wird nicht ausreichen, nur die Prüfverfahren zu verbessern.» Das sei in etwa dasselbe, «wie wenn ein Lehrer neue Prüfungsfragen bringt, die Schüler aber während der Prüfung nicht beaufsichtigt».
Laut Axel Friedrich kann das Verfahren nur dann «ehrlicher und deutlich weniger bürokratisch ablaufen, wenn auf den Strassen realistische Messungen vorgenommen werden». Denn Labortests blieben manipulationsanfällig.