Kaum war die Post als Siegerin aus der Service-public-Abstimmung hervorgegangen, kündigte sie im Herbst des letzten Jahres einen Kahlschlag an: 600 Poststellen will sie innert vier Jahren schliessen. Praktisch jeden zweiten Tag geht in der Schweiz also eine Poststelle zu. Endgültig.
Doch wenn es darum geht, neue Geschäftsfelder zu erschliessen, dann sitzt das Geld locker. Selbst dann, wenn die Projekte von Anfang an aussichtslos sind. Post-Chefin Susanne Ruoff sagt: «Wir treiben auch Ideen voran, die zurzeit noch keinen Markt haben.» Man könnte auch sagen: Die Post sucht dort nach Lösungen, wo es gar keine Probleme gibt.
«Post testet mal hier, mal da»
Kein Wunder, dass die Gewerkschaft Syndicom findet: Die Post teste «mal hier, mal da, ohne den Markt und das Kundenbedürfnis abzuklären». Und dabei wünschen sich die Kunden nichts sehnlicher, als dass die Post ihre Briefe und Pakete zuverlässig von A nach B bringt – innert nützlicher Frist und zu einem vernünftigen Preis.
Doch die Post-Chefs stellen lieber Experimente an. Der K-Tipp führt 13 Projekte auf, die schon gescheitert sind oder scheitern dürften.
Post-Sprecher Oliver Flüeler verteidigt die Strategie: «Die Pilotprojekte sind dazu gedacht, dass wir neue Modelle ausprobieren, ohne dass daraus dereinst die genau gleiche Dienstleistung entstehen muss. Es geht darum, dass wir Erfahrungen sammeln und dann eine definitive Kundenlösung zusammenstellen.»
Fragt sich nur, ob ein Monopolbetrieb auf diese Weise wirklich Millionen von Franken verschleudern soll. Oder ob er nicht besser einen guten Service public zu vernünftigen Preisen anbieten würde.
1. Lieferroboter
Vier Monate lang testete die Post vier Lieferroboter. Sie sollen dereinst Medikamente oder Mahlzeiten transportieren. «Auf Erfolgskurs», titelte die Post nach dem Test in ihrer Personalzeitung. Doch die Pneus nützten sich viel zu schnell ab, die Internetverbindung war instabil, und Randsteine von über zehn Zentimeter Höhe blieben unüberwindbar. Was bei Schneefall passiert wäre, stellt man sich lieber nicht vor.
Während der Tests brauchten die Roboter eine Begleitperson. Künftig soll diese nicht mehr nötig sein. Aber es braucht eine Person in einem Kontrollzentrum. Denn der Roboter kann eine Strasse nicht selbständig überqueren.
Damit die Roboter überhaupt fahren durften, bedurfte es einer Spezialbewilligung. Für eine definitive Bewilligung müssten mehrere Gesetze und Verordnungen geändert werden. Der Plan der Post-Chefs, die Roboter «frühestens in drei Jahren» kommerziell einzusetzen, ist deshalb unrealistisch.
2. Drohnen
Kaum weiter ist die Post mit den Drohnen. In diesem Halbjahr hätte sie mit dem kommerziellen Einsatz beginnen wollen. Doch aktuell läuft erst ein Versuch zwischen zwei Spitälern in Lugano. Der definitive Einsatz – etwa zwischen zwei Standorten einer Firma – wurde auf 2018 verschoben.
Das Potenzial ist aber beschränkt, wie die Post 2015 zugab. Mit 1 Kilo beladen, schaffte es die Testdrohne gerade mal zehn Kilometer weit. Dann musste sie an die Steckdose. Und Flüge sind nur bei gutem Wetter möglich.
3. Wasserstoff-Postautos
Vor fünf Jahren startete die Post in Brugg AG ein Experiment mit fünf Postautos, die mit Wasserstoff betrieben wurden. Im Januar brach die Post den Versuch ab. Warum sie trotzdem «ein positives Fazit» zog, bleibt unklar.
Zu teuer geworden wären vor allem Wartung und Reparaturen. Zudem gibts Ersatzteile kaum noch. Das Projekt kostete 18 Millionen Franken. Die EU, der Bund und der Kanton steuerten 7,6 Millionen bei. Nun versucht die Post, die Busse zu verkaufen.
4. Selbstfahrende Postautos
Im vergangenen Sommer begann die Post in Sitten VS einen Test mit selbstfahrenden Postautos. «Dank modernster Sensoren können die Fahrzeuge auf den Zentimeter genau fahren und sämtliche Hindernisse erkennen», rühmte die Post.
Vier Monate später: Übungsabbruch! Ein Postauto hatte einen abgestellten Lieferwagen gerammt. Inzwischen läuft der Versuch wieder. Die Erfolgsaussichten? Gering.
5. Kaloka
Vor einem Jahr eröffnete die Post den Internet-Marktplatz «Kaloka». Berner und Zürcher Geschäfte können dort Ware anbieten. Ein Kurier liefert sie gleichentags aus.
Doch die Sache harzt. Deshalb ködert «Kaloka» die Kunden noch immer mit Gratislieferung. In Bern ist es möglich, einen Apfel für 80 Rappen zu bestellen und ihn gratis nach Hause liefern zu lassen. Wer das bezahlt? Die Post gibt darauf keine klare Antwort.
6. Sobu
2012 lancierte die Post die Empfehlungsplattform «Sobu». Kunden von Internetläden empfahlen ihren Freunden gute Produkte. Wenn die Freunde diese Produkte kauften, erhielten die ursprünglichen Käufer eine Gutschrift – und die Post eine Provision. 2015 war noch die Rede von einer Expansion in 21 Länder. Ein Jahr später wurde «Sobu» abgestossen.
7. Profit App
Mit «Profit App» hätten Kunden in Läden Treue-, Rabatt- und Bonus-Punkte sammeln sollen – auf dem Handy statt auf Kärtchen. Die Post schrieb: «Das Punktesammelfieber soll berühren, mitreissen und zu Mehrkäufen anregen.»
Doch das funktionierte nicht so recht. Nun ist «Profit App» ins Handy-Bezahlsystem Twint integriert.
8. Taster.ch
Auf Taster.ch sollten Kunden Produktemuster bestellen, ausprobieren und bewerten. Die Website gibts noch. Doch bestellen kann man nichts. Zu lesen ist nur, dass Taster.ch weiterentwickelt werde.
9. Persönliche Zeitung
Unter dem Namen «My Newspaper» bot die Post personalisierte Zeitungen an. Kunden konnten zum Beispiel den Inlandteil aus einer Zeitung auswählen, den Sportteil aus einer anderen. Die Post schickte die Zeitung als E-Paper oder druckte sie aus und stellte sie zu. Aber nur ein Jahr lang. Dann war Schluss. Grund: Geringe Nachfrage.
10 . Zeitungsdruck
Im Sommer 2011 begann die Post damit, auf Zypern und Malta Schweizer Tageszeitungen zu drucken und an Kioske und Hotels auszuliefern. Doch es blieb bei diesem einen Sommer.
11. Car postal
Seit Jahren ist die Post mit ihrer Tochtergesellschaft Car postal in Frankreich am Expandieren. «Wir können hier experimentieren», schwärmte ein Chef gegenüber der «NZZ». Doch Car postal ist im Visier der Justiz. Da Handelsgericht Lyon verknurrte die Firma zur Zahlung von über 10 Millionen Euro. Grund: Verfälschung des Wettbewerbs mittels Subventionen. Car postal hat den Entscheid weitergezogen.
12. Firmen im Ausland
Die Post kauft da eine Firma, stösst dort eine andere ab. Heute besitzt sie 100-Prozent-Töchter in Belgien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Liechtenstein, in der Slowakei, in den USA und in Vietnam. Beteiligt ist sie zudem an Firmen in Dänemark, Norwegen, Österreich, Schweden, Spanien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wer den Geschäftsbericht der Post liest, hat den Eindruck, da spiele jemand Monopoly.
13. Mietvelos
Die Post, die SBB und Rent-a-Bike wollten 2011 mit der Firma Publibike «ein landesweites System» für Mietvelos einführen. Doch Publibike kommt nicht vom Fleck. Einigermassen verbreitet sind die Mietvelostationen nur in der Westschweiz.