Rausch der Geschwindigkeit
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saldo 18/2000
08.11.2000
Die Mobilnorm UMTS verspricht eine extrem schnelle Datenübertragung. Ob sie die Zukunft des mobilen Internets sein wird, steht jedoch noch in den Sternen.
Alles an UMTS (engl. Universal Mobile Telecommunication System) ist atemberaubend: Die Geschwindigkeit der Datenübertragung soll ein Hundertfaches heutiger Handys betragen. Die Euphorie ist so gross, dass die Telekom-Unternehmen in Deutschland und Grossbritannien bereits Milliardenbeträge für die Funklizenzen investiert habe...
Die Mobilnorm UMTS verspricht eine extrem schnelle Datenübertragung. Ob sie die Zukunft des mobilen Internets sein wird, steht jedoch noch in den Sternen.
Alles an UMTS (engl. Universal Mobile Telecommunication System) ist atemberaubend: Die Geschwindigkeit der Datenübertragung soll ein Hundertfaches heutiger Handys betragen. Die Euphorie ist so gross, dass die Telekom-Unternehmen in Deutschland und Grossbritannien bereits Milliardenbeträge für die Funklizenzen investiert haben. Aber es gibt auch schwarze Wolken am Horizont: Die Absage der Lizenzversteigerung in Italien in den letzten Tagen hat ein erstes grosses Fragezeichen hinter die Zukunft von UMTS gesetzt.
Was steckt hinter der neuen Norm? Mit der dritten Mobilfunkgeneration UMTS werden Sprache und Daten ähnlich wie im Internet als kleine Datenpakete an die mobilen Geräte verschickt, was sehr hohe Geschwindigkeiten für Audio-, Daten- und Videoübertragungen mit Raten zwischen 284 Kbit/s und 2 Mbit/s erlaubt.
Entwicklung der Endgeräte hinkt hintennach
Zum Vergleich: Der heutige GSM-Standard überträgt die Daten mit 9,6 Kbit/s. UMTS ist zudem immerhin rund 30-mal schneller als ISDN (64 Kbit/s). Mit dieser hohen Geschwindigkeit ist es technisch möglich, via Handy einen schnellen Zugang ins Internet herzustellen. Internetanwendungen wie mobile Videokonferenzen und das problemlose Herunterladen von Videos und Musik über das Handy sollten so Realität werden.
Auf dem Weg dorthin sind aber einige Hürden zu nehmen. Zum Beispiel gibt es noch kein einziges Endgerät für diesen Standard, der in Europa im Jahr 2002 stufenweise eingeführt werden soll. Weiteres pikantes Detail: Die grossspurig versprochenen 2 Mbit/s sind voraussichtlich nur im stationären Betrieb möglich. Befindet sich der Nutzer im Auto oder in der Bahn, bewegt er sich also schnell, erreichen ihn die Daten nur mit einer Geschwindigkeit von 128 Kbit/s - dies entspricht nur der Geschwindigkeit von ISDN.
Je mehr Nutzer, desto langsamer die Übertragung
Und auch im Netz kann es eng werden: Wenn Hunderte von UMTS-Nutzern gleichzeitig im Internet sind, reduziert das die verfügbare Übertragungsgeschwindigkeit für den Einzelnen beträchtlich. Auf Telefongespräche wirkt sich das zwar nicht aus, da dafür eine Rate von 9,6 Kbit/s genügt, aber das datenintensive Überspielen von Bildern und Videos via Internet braucht bedeutend mehr Bandbreite.
Unsicher ist auch, welche Rechenleistung und damit welche Akku-Laufzeit die neuen UMTS-Geräte haben werden. Je höher der Rechenaufwand, beispielsweise für die Verarbeitung von Videodaten, desto höher ist der Stromverbrauch der Prozessoren. Die Akku-Laufzeit der Geräte wird dadurch auf wenige Stunden gedrückt.
Die zukünftigen UMTS-Betreiber müssen zudem Tausende von neuen Antennenanlagen installieren, was in allen Ländern massive Proteste aus der Bevölkerung provozieren könnte. Klagen über Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Konzentrationsschwächen häufen sich bereits bei den bestehenden Mobilfunkanlagen.
Mitte November beginnt auch in der Schweiz die Auktion von vier UMTS-Mobilfunklizenzen. Die Swisscom und acht weitere Unternehmen werden an dieser Versteigerung teilnehmen.
Katrin Heggli