Die Geschäftskunden der SBB erhielten kürzlich ein schönes und aufwendig gemachtes Papierkunstwerk: «Bitte ziehen», wurden sie darin aufgefordert. Zieht man an einer Lasche, verwandelt sich ein graues Tunnelbild in ein schönes Bild mit Blick vom Monte Brè auf Lugano.

Auf der nächsten Seite der Werbebroschüre machen die SBB den Geschäftskunden den Morgenzug nach Mailand schmackhaft: «Neu profitieren Sie von mehr Sitzplätzen in unseren modernen und komfortablen Zügen via Gotthard.» 

Modern? Gemeint ist die Bau­reihe ETR610. Solche Züge sind seit über sieben Jahren im Einsatz und sind im Vergleich mit andern Schnellzügen unkomfortabel. Der ETR610 bietet weniger Sitzplätze als sein Vorgänger: 43 weniger in der 1. Klasse und 26 weniger in der 2. Klasse, zusammen noch 404 Sitzgelegenheiten. 

Vor 1992 bestanden die interna­t­ionalen Züge gemäss Kurt Schreiber von Pro Bahn in der Regel aus drei Erstklasswagen mit 180 Plätzen und fünf Zweitklasswagen mit 400 Plätzen. Bei Bedarf wurden diese Züge mit Zusatzwagen verstärkt. Das Platz­angebot war also vor 25 Jahren wesentlich höher als heute. Die SBB sagen, man könne heute bei Bedarf zwei ETR610 aneinanderkoppeln.

Das machen sie aber offensichtlich nicht: In der gleichen Woche, in der die Werbebroschüre für die Fahrt in den Süden in den Briefkasten flatterte, bat der Zugbegleiter in Zug die Passagiere, die keinen Platz reserviert hatten, den Zug zu verlassen und eine Stunde später weiterzureisen. Die Probleme hätten schon in Zürich begonnen, schrieb der «Tages-Anzeiger». Grund: «Die Wagenkombination war viel zu kurz.»