Der Einkaufstourismus ins benachbarte Ausland boomt. Denn jenseits der Grenze sind die Preise meist deutlich tiefer als in der Schweiz. Die Gründe dafür sind vielfältig. 

«In vielen Fällen sind die Preisunterschiede hausgemacht.» Das sagt die «Allianz gegen ­Handelshemmnisse», eine Interessengemeinschaft aus Wirtschafts­verbänden und dem Kon­sumentenforum.

Spezielle schweizerische Vorschriften wie komplizierte Zulassungsverfahren, Deklara­tionsvorschriften oder geänderte Anforderungen an die Produktzusammensetzung würden die Wareneinfuhr verteuern und zu höheren Preisen führen. Die Allianz kämpft deshalb für den Abbau von schweizerischen Spezialbestimmungen.

Behauptungen der Bauernlobby 

Einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung machte der Nationalrat Anfang Mai. Auf Druck der Bauernlobby beschloss er, dass die Schweiz das sogenannte Cassis-de-Dijon-Prinzip für Lebensmittel aufhebt (saldo 9/15). Es besagt, dass nach EU-Vorschriften hergestellte Produkte auch hier verkauft werden dürfen. Der Ständerat hat die Gesetzesänderung am 17. Juni ­abgelehnt. Die Vorlage geht deshalb wieder zurück an den Nationalrat.

Jacques Bourgeois, FDP-Nationalrat und Bauern­verbandsdirektor, behauptete in der Diskussion im Nationalrat, das Cassis-de-Dijon-Prinzip habe in der Schweiz keine tieferen Preise gebracht.

Was er nicht sagte: Die erleich­terte Einfuhr von Waren aus der EU wurde mit ­vielen Ausnahmeregelungen durchlöchert. Spezielle Regeln gelten etwa für Düngemittel, Chemikalien, Motorfahrzeuge oder Rei­nigungsmittel. Importierte Lebensmittel müssen generell einen Bewilligungs­prozess beim Bund durch­laufen.

Ein Fünftel tiefere Preise wären möglich

saldo wollte deshalb wissen, ob der Import von Produkten ohne solche Spezialvor­schrif­ten zu günstigeren Preisen führt. Dazu wurden die Preise in der Schweiz und in Deutschland von je zwanzig gleichen Produkte erhoben, die mit und ohne Barrieren importiert werden können. Grundlage war eine Produkteliste des Staats­sekretariats für Wirtschaft Seco (ohne Lebensmittel). saldo eruierte die Preise in Läden in Winterthur und in Konstanz (D) – darunter waren Coop, Manor, Obi, Media-Markt, DM, Müller, Intersport und Karstadt.

Resultat: Produkte, für die beim Import spezielle Vorschriften gelten, sind in der Schweiz im Durchschnitt 45 Prozent teurer als in Deutschland (siehe Tabelle). Umgekehrt sind die Produkte, die ohne Hindernisse eingeführt werden dürfen, im Durchschnitt nur 24,9 Prozent teurer als im nörd­lichen Nachbarland. 

Das heisst: Die Importerschwerungen führen zu rund 20 Prozent höheren Preisen. Der konsequente Abbau von Handelshemmnissen könnte den Konsumenten bis zu einem Fünftel tiefere Preise bringen. Das deckt sich mit einer Seco-Studie aus dem Jahr 2013.

Auffallend an der Stichprobe sind die je nach Produkt sehr unterschiedlichen Preisdifferenzen. Beispiel Allzweckreiniger Meister Proper: Bei Müller in Konstanz beträgt der Preis umgerechnet Fr. 1.42. Bei Coop sind es Fr. 3.60 oder 154 Prozent mehr. Gemäss Seco kommen hier gleich drei Handelshürden zum Tragen: ein spezielles Zulassungsverfahren, eine auf die Schweiz abgestimmte Produktzusammensetzung und eine andere Deklaration.

Die Stichprobe zeigt auch, dass dieselben Produkte im Nachbarland nicht immer günstiger sind als in der Schweiz – vor allem wenn keine Einfuhrbeschränkungen bestehen. Beispiel: Ein 55-Zoll-LED-Fernseher der Marke Philips ist bei MediaMarkt Winterthur für 1999 Franken zu haben, im Media-Markt in Konstanz ist das Gerät mit umgerechnet 2624 Franken angeschrieben.