Spiralen - Viele Frauenärzte kassieren, was sie wollen
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Gesundheitstipp 12/2000
01.12.2000
Oberster Gynäkologe gibt zu: «Es gilt die freie Marktwirtschaft»
Der Zürcher Frauenarzt Jürg H. Brunner ist kein Einzelfall: Auch andere Gynäkologen bestehen auf Bargeld - und oft auf zu hohe Preise. Die Geprellten sind die Frauen.
Paula Lanfranconi redaktion@puls-tip.ch
Der Zürcher Frauenarzt Jürg H. Brunner hatte seiner Patientin Susanne Keller verschwiegen, welche Spirale er ihr eingelegt hatte (Puls-Tip 11/00). Auch eine Quittung stellte e...
Oberster Gynäkologe gibt zu: «Es gilt die freie Marktwirtschaft»
Der Zürcher Frauenarzt Jürg H. Brunner ist kein Einzelfall: Auch andere Gynäkologen bestehen auf Bargeld - und oft auf zu hohe Preise. Die Geprellten sind die Frauen.
Paula Lanfranconi redaktion@puls-tip.ch
Der Zürcher Frauenarzt Jürg H. Brunner hatte seiner Patientin Susanne Keller verschwiegen, welche Spirale er ihr eingelegt hatte (Puls-Tip 11/00). Auch eine Quittung stellte er nicht aus. Doch Brunner ist kein Einzelfall.
«Die Geschichte von Susanne Keller könnte von mir sein», schrieb Puls-Tip-Leserin Maja Kantuzer. Genau wie Susanne Keller erfuhr auch Maja Kantuzer nie, welche Spirale ihr der Frauenarzt einsetzte. Und auch sie musste 400 Franken bar bezahlen: «Der Arzt steckte das Geld in seine Brusttasche und fragte nicht einmal, ob ich eine Quittung wolle.»
Ähnliches berichtet Yvonne Greter. Auch sie erhielt keinen Beipackzettel und musste 500 Franken bar bezahlen. «Etwas hilflos wartete ich auf eine Quittung», schreibt sie. «Als der Arzt dies merkte, erklärte er mir, er trage es auf der Karte als bezahlt ein.» Der Arzt sei so selbstsicher aufgetreten. Deshalb habe sie trotz besseren Wissens nicht auf einer Empfangsbestätigung bestanden: «Ich sagte mir, das sei wahrscheinlich die Regel bei den Ärzten.»
Andere Reaktionen von Leserinnen tönen ähnlich.
«Ich höre zum ersten Mal, dass Gynäkologen für das Einlegen von Spiralen keine Quittung ausstellen», sagt Patrick Hohlfeld, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG). Allerdings würden die Gynäkologen keine speziellen Abrechnungsregeln kennen, ergänzt er: «Für alle Leistungen, welche die Kassen nicht übernehmen, gilt die freie Marktwirtschaft.»
425 Franken für die teuerste Spirale
Im Klartext heisst das: Wer sich nicht bei der Konkurrenz erkundigt, akzeptiert stillschweigend die Bedingungen seines eigenen Arztes.
Das erklärt teilweise auch die extreme Preisspanne bei den Spiralen: Während eine Puls-Tip-Leserin dafür bloss rund 200 Franken bezahlte, mussten andere Frauen gar 600 Franken hinblättern.
Nach Angaben von Hohlfeld sollte jedoch auch das teuerste Modell samt Einlegen nicht mehr als 425 Franken kosten.
Der oberste Schweizer Gynäkologe räumt ein, dass zwischen den Frauenärzten und den Frauen ein Machtgefälle besteht. Hohlfeld will nun seinen Kollegen gewisse Richtlinien vorschlagen, die diesem Ungleichgewicht entgegenwirken. Dazu gehöre auch das ungefragte Ausstellen einer Quittung.
Für das Bezahlen einer Dienstleistung gelten nach Angaben der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich folgende Grundsätze:
- Solange es sich beim Einsetzen einer Spirale nicht um eine kassenpflichtige Leistung handelt, gibt es beim Verrechnen keine Richtlinien für die Rechnungsstellung.
- Wenn eine Patientin die Behandlung bar bezahlt, hat sie Anspruch auf eine Quittung.
- Die Patientin kann auch eine Rechnung verlangen. Wenn jedoch ein Arzt mit einer Patientin punkto Inkasso schlechte Erfahrungen gemacht hat, darf er auf der Barzahlung bestehen.
Die Zürcher Gesundheitsdirektion hat aus juristischer Sicht nichts gegen die Barzahlungspraxis der Gynäkologen einzuwenden. So müssen auch die Patientinnen im Zürcher Frauenambulatorium bar bezahlen.
Ärztin Theres Blöchlinger findet dies zwar «daneben». Man habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass die Zahlungsmoral schlecht sei bei Forderungen, die von den Kassen nicht rückerstattet werden. Blöchlinger findet es dringend nötig, dass die Versicherer nicht bloss für Schwangerschaftsabbrüche zahlen, sondern auch für das Verhüten. Einen solchen Vorstoss haben Politikerinnen im September in Bern eingereicht. Die Kassen haben indes bereits aufgeschrieen. Denn das würde sie jährlich 60 Millionen Franken kosten.