Unterwegs mit dem Cisalpino: Die Panne fährt mit
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saldo 2/2000
02.02.2000
Türen klemmen, Passagiere erbrechen, WCs blockieren: Noch immer ist der Cisalpino für die Zugpassagiere eine Zumutung. Dies bestätigt die saldo-Testfahrt nach Como.
Es müsse wieder chic sein, mit der Bahn zu fahren, frohlockte die Cisalpino AG im September 1996. Mit futuristischem Design, zusätzlichem Komfort und schnelleren Fahrzeiten wurde der Neigezug als Alternative zum Flugzeug angepriesen.
Doch bereits wenige Monate nach ihrer Einführung müssen die Cisalpino-Z...
Türen klemmen, Passagiere erbrechen, WCs blockieren: Noch immer ist der Cisalpino für die Zugpassagiere eine Zumutung. Dies bestätigt die saldo-Testfahrt nach Como.
Es müsse wieder chic sein, mit der Bahn zu fahren, frohlockte die Cisalpino AG im September 1996. Mit futuristischem Design, zusätzlichem Komfort und schnelleren Fahrzeiten wurde der Neigezug als Alternative zum Flugzeug angepriesen.
Doch bereits wenige Monate nach ihrer Einführung müssen die Cisalpino-Züge in Italien laufend revidiert werden. saldo ist in einer sechsstündigen Testfahrt von Zürich nach Como und retour gereist. Fazit: Was vor drei Jahren grossspurig angekündigt wurde, hält der Cis-alpino noch lange nicht.
Teppiche und Polster sind fleckig und abgewetzt. Im Hauptbahnhof Zürich steigen wir gespannt in den Neigezug ein. Der Gang ist schmal, ein älterer Herr versucht, seine Reisetasche oberhalb des Sitzes zu verstauen - vergeblich, das Gepäck passt nicht in die niedrige Ablage.
Dreisprachig ertönt die Begrüssung aus dem Lautsprecher: "Wir freuen uns, Sie an Bord des Cisalpino begrüssen zu dürfen, und möchten uns für Ihr Ver-trauen mit einer perfekten Fahrt bedanken." Der für Erstklassreisende gross an-gepriesene Welcome-Service besteht aus einem Teelöffel Cappuccino-Pulver mit heissem Wasser und zwei Keksen aus der Minibar. Die druckfrisch aufliegenden Tages-zeitungen entsprechen schon eher den Erwartungen.
Ruhig zieht der Pendolino seine Spur in Richtung Süden. Unter der linken Armstütze verheisst eine Buchse Musikgenuss auf vier Kanälen. Das Vergnügen bleibt aber jenen Passagieren vorbehalten, die ihren Kopfhörer von zu Hause mitbringen: Cisalpino hat den Verkauf gestoppt, zu oft funktionierten die eigenen Kopfhörer nicht. Auch die fleckigen, durchgesessenen Polster und der abgewetzte Teppich räumen vorhandene Zweifel an der freien Marktwirtschaft nicht aus dem Weg.
Beinahe himmlisch gleitet der Cisalpino durch die kurvige Gotthardstrecke; wo herkömmliche Züge bei 125 km/h an ihre Limite stossen, fährt der Cisalpino bis zu 160 km/h. Mit irdischen Problemen haben hingegen die Fahrgäste zu kämpfen. "Praktisch auf jeder Fahrt müssen einige Passagiere erbrechen", sagt Hans Meierhofer (Name geändert). Der SBB-Kondukteur arbeitet seit drei Jahren auf dem Cisalpino. Einige seiner Berufskollegen sind nicht mehr auf dem italienischen Neigezug tätig, zu oft wurde ihnen übel. Der Kondukteur setzt sich nach Arth-Goldau kurz zu uns. Nebst Fahrplanauskünften und Billett-Ausstellen müssen sich die Kondukteure um defekte WCs, blockierte Abteiltüren und verärgerte Reisende kümmern.
Kondukteur: "Noch keinen Cisalpino ohne Panne erlebt"
"In drei Jahren habe ich als Kondukteur noch keinen pannenfreien Cisalpino erlebt." Nein, die Arbeit in diesem Zug sei für das Personal kein Vergnügen, betont er. Grosse Mängel beim Fahrkomfort sind an der Tagesordnung.
Laut Cisalpino AG sind 80 der über 100 von Ingenieuren entdeckten Mängel jetzt behoben. "Grundsätzlich wird jeder Schaden, der nicht sofort behoben werden kann, registriert und nach Zugsankunft in Mailand repariert", sagt Lucio Gastaldi, Geschäftsführer der Cisalpino AG. Mehrere SBB-Angestellte auf dem Cisalpino-Zug bestätigen jedoch, dass sich 1999 nichts Entscheidendes verbessert hat. "Vor zwei Tagen sind sieben der elf Toi-letten ausgefallen - es kommt vor, dass Erbrechende vor defekten WCs stehen", sagt Meierhofer. Grund: Ein Luftdruckabfall lässt die Türen automatisch schliessen. Einmal klemmen die Sonnenblenden fürs Fenster - ein anderes Mal sind es die Verbindungstüren zwischen den Wagons, die sich nicht mehr schliessen.
saldo stösst bei seiner Testfahrt auf teils gravierende Mängel:
° vier Abteiltüren schliessen nicht automatisch, Kälte strömt zu den Sitzplätzen;
° das Licht fällt von angenehm hell unvermittelt auf Tangobeleuchtung;
° Aschenbecher klemmen;
° einzelne Plastikabdeckungen sind lose;
° ein WC-Spiegel lässt sich auf Grund eines Defekts öffnen, an den dahinter liegenden Elektrokabeln kann jeder manipulieren; und
° drei der elf Toiletten fallen aus.
Der Kondukteur kann die z