Walter Freimüller aus Bern organisiert regelmässig Wanderausflüge für ältere Personen. Von der Postautofahrt zwischen Romont und Rosé im Kanton Freiburg erhoffte sich Freimüllers Wandergruppe «einen atemberaubenden Blick auf die Umgebung».
Doch die Gruppe wurde arg enttäuscht: Reklame, die über die ganzen Fensterflächen reichte, nahm ihr die freie Sicht. «Wir hatten nichts von dieser Fahrt», ärgert sich der 80-Jährige.
Nach Angaben der Postauto Schweiz AG sind in der Schweiz zurzeit insgesamt 17 Postautos mit vollflächiger Werbung unterwegs (siehe Bild oben). Und 330 weitere Fahrzeuge sind teilweise mit Reklame beklebt.
Postauto-Sprecher Urs Bloch sagt: «Auf touristisch interessanten Linien bleiben die Fenster werbefrei.» Anders sei es in Agglomerationen, wo vor allem Pendlerverkehr stattfinde.
Für Walter Freimüller ist das ein schwacher Trost. Postauto Schweiz beurteile «touristisch interessante Linien» offensichtlich anders als er. Zudem werde den Fahrgästen etwas vorgegaukelt: «In Werbebroschüren des Transportunternehmens war bis heute noch nie ein mit Reklame verklebtes Postauto abgebildet.»
Auch andere Postautokunden ärgern sich über die Werbung: Das zeigt eine Strassenumfrage des K-Tipp in Bern (siehe Unten).
Die Vermietung von Reklameflächen ist lukrativ: «Werbeeinnahmen sind willkommene zusätzliche Einnahmen», sagt Postauto-Sprecher Bloch. Wie viel die Post damit verdient, will er aber nicht bekannt geben. Ein Blick auf die Preisliste des Reklamevermarkters APG Traffic zeigt: Die «Ganzgestaltung» eines Postautos für 12 Monate kostet zum Beispiel auf der Strecke Willisau–Entlebuch 20 000 Franken.
Die APG Traffic schreibt auf ihrer Website: «Die Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs sind auf allen wichtigen Verkehrsachsen, an allen Haltestellen, auf allen Plätzen, in den Zentren und Quartieren wie auch in den ländlichen Gebieten unterwegs und für jedermann sichtbar. ÖV-Aussenwerbeformate haben im unmittelbaren Umfeld keine Konkurrenz und fallen auf.»
Werbung auch auf Trams und Bussen
Das haben auch andere Verkehrsbetriebe erkannt: Die Stadtbus Chur AG zum Beispiel zeigte kürzlich auf Bussen grossflächige Werbung des Wasser- und Energieversorgers IBC. Einige Zürcher Trams verkehren schon seit Jahren als voll bemalte Werbeträger – wobei Fenster und Türen «grundsätzlich frei» bleiben müssen. Und auf den Aussenflächen eines Basler Trams war Reklame des Unterwäscheherstellers Calzedonia angebracht, die einige Fenster bedeckte.
Strassenumfrage: «Solche Werbung nervt»
Eine Strassenumfrage des K-Tipp in Bern zeigt: 13 von 20 Passanten stört die Werbung an den Fenstern der Postautos. Befragt wurden Personen unterschiedlichen Alters. Ein Mann hielt fest: «Solche Werbung nervt. Auf bestimmten Strecken möchte ich die Natur sehen.» Eine Frau sagte: «Wenn ich Postauto fahre, bin ich meist in den Bergen. Und wenn ich eine Reklame vor dem Kopf habe, dann stört mich das.» Ein älterer Mann ergänzte: «Werbung nervt – und ausserdem sieht sie auf Postautos meist extrem hässlich aus.»
Ein anderer Passant zeigte hingegen Verständnis: «Firmen müssen ja auch ihr Geld verdienen.» Eine junge Frau sagte: «Ich kann Werbung auf den Fenstern gut ausblenden. Die Scheiben der Postautos sind ohnehin schmutzig, mit einer Punktfolie sieht man kaum weniger.»