Vertrauen ist gut - Bestätigung ist besser
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saldo 13/2002
28.08.2002
Überstunden müssen mit einem Lohnzuschlag von 25 Prozent entschädigt werden, wenn im Vertrag nichts anderes steht. Die Beweispflicht für geleistete Überstunden liegt bei den Angestellten.
Peter Spiller (Name geändert) war seit zwei Jahren als Buchhalter in einer mittelgrossen Importfirma beschäftigt und verdiente rund 5600 Franken im Monat. Er wurde als guter, loyaler Mitarbeiter geschätzt.
Als der Betrieb im Herbst letzten Jahres mit Bestellungen überhäuf...
Überstunden müssen mit einem Lohnzuschlag von 25 Prozent entschädigt werden, wenn im Vertrag nichts anderes steht. Die Beweispflicht für geleistete Überstunden liegt bei den Angestellten.
Peter Spiller (Name geändert) war seit zwei Jahren als Buchhalter in einer mittelgrossen Importfirma beschäftigt und verdiente rund 5600 Franken im Monat. Er wurde als guter, loyaler Mitarbeiter geschätzt.
Als der Betrieb im Herbst letzten Jahres mit Bestellungen überhäuft wurde, ging Spiller über Monate oft erst spät nach Hause und arbeitete häufig auch samstags. Der Firmeninhaber lobte den vorbildlichen Arbeitseifer und versprach, er werde diesen Einsatz zur gegebenen Zeit gebührend entschädigen.
Angestellte müssen mit Kompensation einverstanden sein
Die Firma wuchs, und im Mai dieses Jahres wurde die Buchhaltung einem Treuhandbüro anvertraut. Peter Spiller erhielt die Kündigung per Ende Juli. Man erklärte ihm, er könne sein Pult schon per Mitte Juli räumen - die restlichen zwei Wochen seien als Kompensation für die geleisteten Überstunden zu betrachten.
Diese Rechnung ging für Peter Spiller nicht auf. Nach den Notizen in seiner Agenda hatte er genau 157 Überstunden geleistet. Das macht bei einer 42-Stunden-Woche knapp einen Monat aus. Abgesehen davon war er an einer Kompensation der Überstunden durch Freizeit nicht interessiert. Er hatte eben eine neue Wohnungseinrichtung gekauft, und ein finanzieller Zustupf wäre ihm willkommen gewesen.
Ein Gespräch mit dem Chef brachte wenig. Dieser liess sogar durchblicken, Spiller habe zu viele Stunden notiert. Dann mimte er den Grosszügigen und meinte, obwohl im Vertrag von Überstunden nicht die Rede sei, wolle er ihm zusätzlich drei Tage schenken - nicht aus Pflicht, sondern dem Frieden zuliebe.
Enttäuscht wandte sich Spiller an saldo: «Bin ich verpflichtet, die Freizeit zu beziehen? Und muss ich zwei Wochen Arbeit an den Hut stecken, weil ich nicht alle Überstunden beweisen kann?»
Gesetz verlangt einen Zuschlag von 25 Prozent
Nein, so schäbig muss sich Spiller nicht abspeisen lassen. Wenn im Vertrag oder im Gesamtarbeitsvertrag nichts Gegenteiliges abgemacht wurde, gilt die gesetzliche Regelung. Danach gilt: Jede Stunde, die über das vertraglich vereinbarte Arbeitspensum hinaus geleistet wird, gilt als Überstunde. Diese muss mit einem Lohnzuschlag von 25 Prozent entschädigt werden. Eine Kompensation mit Freizeit ist im Gesetz für den Fall vorgesehen, dass beide Parteien damit einverstanden sind.
Spiller hat somit das Recht, sich seine Überstunden auszahlen zu lassen, und muss eine Kompensation mit Freizeit nicht akzeptieren. Doch wie viele Stunden kann er fordern? Der Chef gesteht ihm ja lediglich zwei Wochen und drei Tage zu.
Was Spiller zusätzlich verlangt, muss er beweisen können. Dies dürfte ihm weit gehend gelingen. Zwar sind die Aufzeichnungen in seiner Agenda keine zwingenden Beweise - aber glaubwürdige Indizien. Dass Spiller im Betrieb als zuverlässiger und ehrlicher Mann bekannt war, könnte auch der eine oder andere Arbeitskollege als Zeuge bestätigen.
Lenkt der Arbeitgeber nicht ein, wird Spiller beim Gericht klagen müssen. Das Prozessrisiko ist für ihn gering, da das Verfahren vor Arbeitsgericht bis zu einer Streitsumme von 30 000 Franken kostenlos ist.
Trotzdem: Besser wäre gewesen, Spiller hätte die Zahl der aufgelaufenen Überstunden jeweils monatlich vom Chef visieren lassen. Das hätte ihm viel Ärger und jedes Prozessrisiko erspart.
Hans Ruedi Schmid
Schritt für Schritt
So wird die Höhe der Entschädigung für geleistete Überstunden berechnet:
- Fr. 5600.- Monatslohn (brutto) ohne Kinderzulage
- geteilt durch 21,75 (durchschnittliche Arbeitstage pro Monat bei einer 5-Tage-Woche) ergibt Fr. 257.47 (durchschnittlicher Tageslohn)
- geteilt durch 8,4 (Arbeitsstunden pro Tag bei einer 42-Stunden-Woche) ergibt Fr. 30.65 (normaler Stundenlohn)
- plus 8,33 % (Anteil 13. Monatslohn)
- plus 25 % Überstundenzuschlag ergibt Fr. 41.50 pro Überstunde.