Alter schützt vor Wertverlust nicht
Manch ein Erbe freut sich über Antiquitäten aus Familienbesitz. Doch der Erinnerungswert ist meist höher als der Marktwert.
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K-Geld 6/2006
13.12.2006
Letzte Aktualisierung:
14.01.2014
Deborah Balmer, Fredy Hämmerli
Den Schrank sollst du haben, wenn ich nicht mehr bin», versprach Grossmutter. «Der Schrank» ist ein Zürcher Barockmöbel aus Eichen- und Nussbaumholz, um 1730 hergestellt. Er ist seit Generationen im Familienbesitz.
«Ein Vermögen» sei er wert, meinte Grossmutter. Vor ein paar Jahren habe sie einen ähnlichen («nur weniger schön!») bei einem Antiquar für über 20 000 Franken gesehen.
Die Rea...
Den Schrank sollst du haben, wenn ich nicht mehr bin», versprach Grossmutter. «Der Schrank» ist ein Zürcher Barockmöbel aus Eichen- und Nussbaumholz, um 1730 hergestellt. Er ist seit Generationen im Familienbesitz.
«Ein Vermögen» sei er wert, meinte Grossmutter. Vor ein paar Jahren habe sie einen ähnlichen («nur weniger schön!») bei einem Antiquar für über 20 000 Franken gesehen.
Die Realität sieht anders aus: «Solche Schränke kann man heute auf Auktionen für 2500 bis 3500 Franken kaufen», sagt Urs Hungerbühler, Antiquitätenhändler in Wald ZH und Präsident des Verbands Schweizer Antiquare und Restauratoren.
Barockschränke sind derzeit nicht gefragt
Der Schrank sei restauriert, die Innenseiten der Türen seien aufgedoppelt und die Füsse nicht original, bemängelt Max Steiner, Experte für antike Möbel in Zürich. Ein Kaufangebot mag er nicht abgeben, ebenso wenig wie die übrigen angefragten Händler (siehe Tabelle im PDF).
Für solche Barockschränke seien vor 20 Jahren tatsächlich noch bis zu 20 000 Franken bezahlt worden, erinnert sich Karl Schwarz von Antiquitäten und Design in Aarau. Heute gebe es praktisch keine Interessenten mehr dafür. «Am besten warten Sie ein paar Jahre und hoffen, dass die Freude an antiken Möbeln wieder auflebt.»
Einzig Schärz & Frey in Aarau wäre bereit, den Zürcher Barockschrank in Kommission zu übernehmen - zum Preis von 3500 bis 4500 Franken abzüglich 10 Prozent Kommission.
Und auch einige Auktionshäuser wären zu Schätzpreisen von 2500 bis 5000 Franken interessiert. Allerdings ohne jede Garantie und gegen Kommissionen von bis zu 20 Prozent des Verkaufserlöses (siehe Tipps).
Deutlich weiter auseinander gehen die Meinungen bei Gemälden, die K-Geld verschiedenen Händlern vorgelegt hat: «Dekorationsmalerei eines völlig unbekannten Malers in schlechtem Zustand», urteilt Kunsthändler Bruno Sieber aus Luzern über die vier neapolitanischen Fischerszenen in Öl auf Leinwand, die mit «Serratelli 1900» signiert sind.
Sie sind eine Erinnerung an die Hochzeitsreise vor 25 Jahren nach Italien und hatten damals an einer Kunstmesse rund 600 Franken gekostet - pro Stück.
Burkhard F. Weber von der Berner Kunstgalerie Kogal will 400 Franken bezahlen - für alle vier zusammen. Sein Berner Kollege Matthias Ritschard zeigt sich viel grosszügiger. Er stellt rund 800 Franken pro Bild in Aussicht, will sie vorher aber noch genauer inspizieren. Und Paul C. Gloggner aus Luzern lockt mit 1500 Franken, die er an seiner nächsten Auktion im Mai 2007 möglicherweise pro Bild herausholen könne - gegen 19 Prozent Kommission.
«Gib schon her, ich will nach Hause»
Noch schwieriger wird es, eine Karaffe oder eine Uhr zu verkaufen. «Eine einzelne Karaffe würde ich nie kaufen», sagt Urs Hungerbühler von der Glas-Galerie in Wald. Karaffen stünden bei ihm seit Jahren herum.
Die Antiquitätenhändler Toni Fusco und Karl Schwarz aus Aarau schätzen das Objekt immerhin auf 100 bis 150 Franken. Das mundgeblasene Stück aus der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte vor Jahren bei einem Pariser Antiquitaire rund 120 Franken gekostet.
Nicht viel besser sieht es bei der Breitling-Armbanduhr mit Sekundenanzeige aus der Zeit um 1930 aus. Der Berner Händler Matthias Ritschard bietet 800 bis 1000 Franken dafür, alle andern winken ab.
Theodor Wachtel, Inhaber des Uhrenateliers am Rindermarkt in Zürich, meint, die Uhr müsste erst für rund 100 Franken neu verchromt werden - dann würde sie vielleicht 400 bis 500 Franken bringen.
Ruedi Lässer, Trödler auf dem Zürcher Flohmarkt am Bürkliplatz, ist weniger wählerisch: Er bietet 250 Franken bar auf die Hand: «Ein schnelles Geschäft, gib schon her, ich will nach Hause!»
Feilschen lohnt sich meist
«Wer Antiquitäten verkaufen will, muss viel Geduld haben», sagt Urs Hungerbühler, Präsident des Verbands Schweizer Antiquare und Restauratoren. Hier seine Tipps:
- Für einen ersten Eindruck reichen dem Antiquitätenhändler Fotos (z. B. per Mail). Erst bei Interesse lohnt es sich, das Objekt im Original zu präsentieren.
- Je besser die Qualität eines Stücks, desto leichter findet sich ein Käufer.
- Möbel, Waffen, Münzen und Briefmarken sind derzeit out. Gefragt sind Designerstücke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Impressionisten, Jugendstil und Antikes aus Ägypten.
- Die meisten Händler haben sich auf ein oder zwei Sammelgebiete spezialisiert und kaufen nur Stücke aus diesem Fachbereich.
- Antiquitäten verkaufen sich dort am besten, wo sie herkommen.
- Der Antiquitätenhandel ist kein orientalischer Bazar, aber über den Preis sollten Sie trotzdem feilschen. 10 bis 20 Prozent mehr als offeriert lassen sich meist herausholen.
- Auktionen empfehlen sich nur für wertvolle Stücke.
- Der Direktverkauf an Flohmärkten und Sammlerbörsen sowie in Online-Auktionshäusern bringt normalerweise keine angemessenen Preise. Auf diesem Weg lassen sich allenfalls Stücke minderer Qualität verramschen.