Vor allem bei der älteren Generation ist es weit verbreitet: Das Ehepaar hat ein Bankkonto, das nur auf den Namen des Mannes lautet, und die Ehefrau hat eine Vollmacht für dieses Konto.
Unmittelbar nach einem Todesfall kann das zu unliebsamen Überraschungen führen – wie zum Beispiel bei einer Frau aus dem Zürcher Unterland, die von der Migros-Bank ein Schreiben erhielt. Darin drückte man die Anteilnahme zum Tod ihres Mannes aus – doch da stand auch: «Ab sofort ist der Zugriff auf die Konten des Verstorbenen gesperrt. Allfällige bevollmächtigte Personen dürfen nicht mehr selbständig darüber verfügen.»
Das Vorgehen der Migros-Bank ist kein Einzelfall: Vollmachten
auf einem Bankkonto berechtigen die Geldinstitute, an Bevollmächtigte Geld auszuzahlen, es verpflichtet sie jedoch nicht dazu. Das kann im Todesfall zu Komplikationen führen. Und zwar selbst dann, wenn die Vollmacht so formuliert ist, dass sie «über den Tod hinaus» gilt.
Der Grund: Wenn jemand stirbt, gehen sein Eigentum und seine Forderungen rechtlich betrachtet in der gleichen Sekunde an die Erben über. Das Geld auf Bankkonten gehört dann den Erben – auch wenn sie noch unbekannt sind. Die Banken gehen davon aus, dass nebst der Witwe noch weitere Erben vorhanden sind, meist gemeinsame Kinder. Würde eine Bank der Witwe alles Geld auszahlen und andere Erben übergehen, riskierte sie, den Erben gegenüber schadenersatzpflichtig zu werden.
Das kann bei Verwitweten zu finanziellen Engpässen führen. Muss jemand kurz nach dem Tod des Gatten beispielsweise eine hohe Handwerkerrechnung zahlen oder sonstige aussergewöhnliche Verpflichtungen erfüllen, kann er dafür vom Konto des Partners kein Geld beziehen. Hohe Bezüge oder gar die Saldierung des Kontos sind erst dann möglich, wenn man einen Erbschein vorlegen kann. Das ist ein amtliches Dokument, aus dem hervorgeht, wer Erbe ist. Und den zu erhalten kann Monate dauern.
Postfinance kommt Verwitweten nur wenig entgegen
Immerhin: Die Bestattungskosten und ähnliche Auslagen im direkten Zusammenhang mit dem Tod und allenfalls Spitalrechnungen zahlen die Banken von Fall zu Fall dennoch ab dem Konto des Verstorbenen. Dazu müssen Be-troffene die Rechnungen samt Einzahlungsschein der Bank einschicken.
Eine Umfrage von K-Geld bei neun grösseren Banken und Postfinance zeigt: Üblicherweise begleichen die Geldinstitute nach eigenen Angaben auch weitere offene Rechnungen im bisherigen Rahmen – etwa für Miete, Strom und Krankenkasse. Denkbar ist auch, dass bescheidene Bargeldbezüge für den Lebensunterhalt der Witwe möglich sind. Postfinance ist da allerdings wenig entgegenkommend: «Zahlungen für Rechnungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Todesfall stehen (z. B. Mietkosten, Steuern), können nur von der Erbengemeinschaft ausgelöst werden. Alle Erben müssen den Auftrag gemeinsam erteilen oder eine Person dazu ermächtigen.»
Das Gesagte gilt immer dann, wenn es um ein Konto eines Verstorbenen geht. Wie steht es aber um die freie Verfügbarkeit des Geldes im Todesfall, wenn das Ehepaar ein gemeinsames Konto hat? Auch das kann zu Problemen führen.
Ein gemeinsames Konto zeichnet sich dadurch aus, dass beide Ehegatten einzeln frei und unbeschränkt darüber verfügen können. Bei der UBS heisst es «Gemeinschaftskonto», bei der Bank Coop «Und/oder-Konto», bei der Zürcher Kantonalbank «Oder-Konto», bei der Aargauischen Kantonalbank «Gemeinschaftskonto Solidarbeziehung», die Migros-Bank nennt es «Gemeinsamkonto». Die Credit Suisse kennt die sogenannte «Partner-Option mit Einzelunterschrift», Raiffeisen verlangt die Unterzeichnung einer «Compte-joint-Vereinbarung». Postfinance hat ein «Partnerkonto».
K-Geld fragte bei den Banken nach: Kann zum Beispiel eine Witwe unmittelbar nach dem Tod des Mannes frei über das Geld auf dem gemeinsamen Konto verfügen?
Einige Banken machen da ebenfalls Vorbehalte und schauen den Einzelfall genau an, weil sie sich auch in dieser Konstellation vor allfälligen Ansprüchen von Erben schützen wollen. Denn rechtlich stellt sich hier die Frage: Welchem Ehepartner gehört wie viel vom Geld, das auf dem Konto ist? Was dem Verstorbenen gehörte, steht allen seinen Erben zu, nicht nur dem Partner.
Postfinance schreibt zum Beispiel zum Partnerkonto: «Die Interessen der Erben haben immer oberste Priorität. Aus diesem Grund behalten wir uns vor, das Partnerkonto in bestimmten Fällen dennoch zu sperren, bis die berechtigten Personen von uns geprüft werden konnten.» Und das kann – wie gesagt – Monate dauern.
Die Credit Suisse sagt: Hat sie Kenntnis von Forderungen von Erben oder von einem Streit in der Familie, kann es passieren, dass die Bank nur noch gemeinsame Instruktionen von allen Erben berücksichtigt.
Gemeinsames Konto: Verfügungsrecht bleibt je nach Bank erhalten
Andere Banken hingegen sagen, bei einem gemeinsamen Konto habe die Witwe weiterhin das volle, uneingeschränkte Verfügungsrecht über das Konto – zum Beispiel die Aargauische Kantonalbank, Bank Coop, Migros-Bank, Raiffeisen, UBS und Zürcher Kantonalbank (ZKB). Raiffeisen zum Beispiel schreibt: «Die erbrechtlichen Ansprüche werden dabei von der Bank nicht geprüft, diese sind innerhalb der Erbengemeinschaft zu regeln.»
Mit anderen Worten: Mit einem gemeinsamen Konto haben Partner zwar ein Verfügungsrecht über das Geld, aber die Bank muss sich nicht daran halten, wenn ein unbekannter Teil des Geldes einem Erben zusteht. Das Gemeinschaftskonto kann die Ansprüche der Erben nicht aushebeln. Bezieht zum Beispiel eine Witwe mehr, als ihr erbrechtlich zusteht, muss sie das später ausgleichen.
Das gilt übrigens auch dann, wenn das gemeinsame Konto eine sogenannte Erbenausschlussklausel enthält. Wortlaut etwa bei der ZKB: «Das Einzelverfügungsrecht des Vertragspartners geht nicht an die Erben des Verstorbenen über.»
Diese Klausel schliesst nur die Verfügungsberechtigung der Erben auf das Konto aus, aber nicht deren Erbberechtigung. Der Zürcher Uni-Rechtsprofessor Hans Rainer Künzle sagt, die Erbenausschlussklausel sei rechtlich umstritten und letztlich nur ein untauglicher Versuch der Banken, Vermögen am Nachlass «vorbeizuzirkeln».
Zum Glück gibt es einen einfachen Ausweg aus all diesen Schwierigkeiten: Jeder Partner sollte ein separates Konto haben, das auf seinen Namen lautet. So hat ein überlebender Partner immer Zugriff auf sein Geld.
Tipps: Das Auskunftsrecht der Erben
Bankkonten. Egal, ob Einzelkonto mit Vollmacht oder gemeinsames Konto: Wenn der Kontoinhaber stirbt, gehört sein Teil des Kontovermögens sofort allen Erben. Das führt zu einem vollen, uneingeschränkten Auskunftsrecht: Jeder Erbe, der sich als solcher ausweist, darf bei der Bank den Kontostand abfragen und sich auch nach den Kontobewegungen in der Vergangenheit erkundigen.
Jeder Erbe kann das Auskunftsrecht allein geltend machen.
«Das in der Erbengemeinschaft sonst übliche gemeinsame Handeln ist nicht notwendig», ergänzt der Zürcher Uni-Rechtsprofessor Hans Rainer Künzle.