Als sich Heinrich Rehmann und Catarina Stirnemann Mitte der Achtzigerjahre kennenlernten, wollten sie vieles, nur keine Karriere. Sie arbeiteten, um Geld für das nächste Flugbillett zu haben. Nach einer Reise nach Mexiko kam der Wunsch auf, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Auf ihrer Reise hatten sie oft in Hängematten geschlafen. In der Schweiz waren die farbenprächtigen Liegen damals kaum erhältlich.
Rehmann reiste nochmals nach Mexiko und bestellte gleich 500 Stück. Er und Stirnemann mieteten einen Standplatz am Markt auf dem Waisenhausplatz in Bern, spannten eine Hängematte auf, stapelten weitere Matten in einer Ecke des Standes und wurden zu einer Attraktion. Ständig wollten Leute die Hängematten testen – und auch kaufen. Rehmann sagt: «Wir verkauften häufig 20 bis 30 Stück pro Tag.»
Seither reiste Rehmann oft nach Mexiko und gab weitere Bestellungen auf. Er sagt: «Ich musste die Qualität immer wieder vor Ort prüfen. Wir wollten engmaschig gewobene, robuste Matten.» Über die Jahre kamen Produzenten in Kolumbien, Brasilien, Guatemala und El Salvador hinzu. Rehmann: «Ich kaufte stets eine grosse Anzahl. Wenn ich etwas mit Herzblut und nicht wegen des Geldes anpackte, kam es immer gut – entgegen allen Prognosen.»
Bereits 1998, im Gründungsjahr von Google und lange vor Facebook und dem iPhone, eröffneten sie einen Internetshop, das Haengemattenparadies.ch. Der Versandhandel erschloss ihnen eine neue Kundschaft. Kurz darauf stieg Catarina Stirnemann aus dem Geschäft aus. «Ich hatte genug vom Handel», sagt sie. «Vieles war Routine geworden. Ich wollte noch etwas Neues kennenlernen.» Sie bildete sich zur Sozialpädagogin weiter und arbeitete bis Ende vergangenen Jahres in diesem Beruf. Heinrich Rehmann baute das Geschäft weiter aus und eröffnete 2005 einen geräumigen Laden in Thun. Während zehn Jahren leistete er sich eine Mitarbeiterin.
Mit der Zeit gab es Hängematten auch beim Grossverteiler, im Gartencenter und im Möbelgeschäft – meist maschinell hergestellte Ware aus China, zu Preisen von teilweise nur 50 Franken. Rehmann verlangt für eine handgewobene Matte 198 Franken. 75 US-Dollar zahlt er den Produzenten. Er sagt: «Mir ist Fair Trade wichtig. Die Hersteller erhalten den Preis, den sie verlangen. Ich handle ihn nicht herunter.» Hinzu kommen ungefähr 27 Franken für Transport, Zoll und Mehrwertsteuer.
Jahr für Jahr kamen zudem immer mehr Internetläden hinzu. Heute gibt es Dutzende Shops, die Hängematten verkaufen. Rehmann sagt: «Seit man auf Google Werbung schalten kann, nimmt die Zahl der Kunden in unserem Shop ab. Sein Werbebudget beträgt 500 Franken pro Monat.» In den besten Zeiten setzte er pro Jahr rund 220'000 Franken um, je rund einen Drittel im Internetshop, am Markt und im Laden. Seit 2018 geht Rehmann nicht mehr auf den Markt. Im vergangenen Jahr setzte er im Versand und im Laden noch 90'000 Franken um. Das Geschäft rentiert noch, weil ihm mehrere Untermieter die Miete seiner Geschäftsräume finanzieren. Im Hochpreissegment sähe er eine Zukunft, aber er mag nicht mehr. Er sagt: «Die Begeisterung ist weg. Ich suche einen Käufer für das Lager, die Kunden und den Internetshop.»
Künftig wird das Paar vom wenigen Ersparten, der AHV und der kleinen Pensionskassenrente von Catarina Stirnemann leben. Sie sagt: «Ich gehe gern einkaufen, und schöne Dinge gefallen mir. Ich bin aber zufrieden mit unseren finanziellen Verhältnissen. Meine Freiheit war mir wichtiger als eine Karriere.»