Der schottische Vermögensverwalter Aberdeen zählt mit einem verwalteten Vermögen von über 449 Milliarden Franken zu den grössten Fondshäusern Europas. Neuerdings nennt sich das Unternehmen Abrdn. Wer die Internetseite Abrdn.com/de-ch aufruft, wird mit dem Werbeslogan «Investieren, um mehr zu erreichen» empfangen. Für Leser der Website wichtiger ist der «Risikohinweis» darunter: «Der Wert jedes Investments und die Einkünfte daraus können sinken oder steigen.»
Abrdn hat allen Grund, auf das Verlustrisiko hinzuweisen. Zurzeit liquidiert die Firma unter anderem den European Opportunities Equity Fund und den Global High Tech Equity Fund. Diese Fonds sind sehr alt: Sie wurden 1959 beziehungsweise 1962 lanciert. Laut Abrdn sind sie heute wegen «steuerlicher und regulatorischer Aspekte für Investoren und Vertriebsträger weniger wirtschaftlich». Die Fondsvermögen sind mit rund 33 Millionen beziehungsweise knapp 24 Millionen Franken stark geschrumpft. Viele Anleger sprangen ab. Ein Grund dafür: Die jährlichen Fondskosten waren mit 1,7 Prozent des investierten Vermögens hoch.
Liquidation eines Fonds kann sich lange hinziehen
Am 25. Oktober 2022 erfolgten die letzten Rücknahmen der Fondsanteile. Die Anleger erhalten aber erst jetzt, ein halbes Jahr später, etwa 90 Prozent des letzten Kurses ausbezahlt. Beim europäischen Fonds entspricht das etwa 340 Franken pro Anteil. Beim globalen Fonds sind es rund 210 Franken.
Es kann noch länger dauern, bis die Anleger auch die restlichen gut 10 Prozent erhalten. Zuerst erstellt die Fondsleitung Credit Suisse einen Liquidationsbericht. Dieser wird darauf von der Revisionsgesellschaft des Fonds geprüft. Danach müssen die Eidgenössische Steuerverwaltung und die Finanz-marktaufsicht (Finma) grünes Licht geben. Dieser Vorgang kann bis zu neun Monate dauern. Erst dann geht das restliche Geld des Liquidationserlöses an die Anleger. Darin stecken auch Dividendenerträge. Darum unterliegt ein Teil der letzten Auszahlung der Einkommenssteuer. Anleger, welche die Fonds erst in den Jahren 2020 oder 2021 kauften, zahlten damals mehr, als sie nun erhalten. Sie können die Verluste nicht mehr aussitzen.
Fonds-Liquidationen sind keine Seltenheit. Allein seit Anfang 2022 wurden 30 Schweizer Fonds liquidiert: 14 Aktien-, 7 Obligationen-, je 4 Rohstoff- und Mischfonds sowie 1 Hedgefonds. Neben Abrdn fällt dabei Swisscanto auf: Die Tochter der Zürcher Kantonalbank liquidierte im vergangenen Jahr gleich vier Fonds. Gut zu wissen: Darunter befand sich kein einziger börsengehandelter Indexfonds. Nur ein einziger aufgelöster Fonds verwaltete mehr als 100 Millionen Franken.
Tipps für Anleger: Börsengehandelte Indexfonds (ETF) sind viel günstiger als aktiv verwaltete Fonds. Und bei ETF ist die Gefahr einer Liquidation wesentlich kleiner. Anleger sollten beim Kauf von Fondsanteilen zudem darauf achten, dass das verwaltete Vermögen eines Fonds mindestens 100 Millionen Franken beträgt. Kleinere Fonds bergen ein erhöhtes Risiko, liquidiert zu werden. Wenn ein Fonds weniger als 5 Millionen Franken verwaltet, erfolgt von Gesetzes wegen eine Zwangsliquidation innert sechs Monaten.