Siegfried Borner (Name geändert) aus Zürich hat 350 000 Franken auf einem Konto der Migros-Bank. Dafür zahlt er keine Guthabengebühr. Das wird zunehmend seltener. Immer mehr Banken verlangen von ihren Privatkunden Negativzinsen. Eine davon ist die Postfinance. Dort müsste Borner für 350 000 Franken eine Gebühr von 0,75 Prozent entrichten, also pro Jahr 2625 Franken. Dieses Jahr senkte die Postbank die Schwelle, ab der Kunden eine Gebühr zahlen müssen, auf 100000 Franken. Begründet hat sie dies mit dem «Negativzinsumfeld» («Saldo» 11/2021). Denn die Geschäftsbanken zahlen für ihre Einlagen bei der Nationalbank ebenfalls einen Negativzins von 0,75 Prozent. Doch Fakt ist: Im Jahr 2020 musste die Postfinance nur noch zwei Millionen Franken dafür ausgeben. Das ist deutlich weniger als im Jahr 2016, als es noch 24 Millionen Franken waren.
Banken profitieren von höheren Freibeträgen
Ist es überhaupt gerechtfertigt, Negativzinsen auf die Kunden abzuwälzen? Die Postfinance sagt: «Die Zahlung von Negativzinsen an die Nationalbank steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Belastung negativer Kundenzinsen.»
Unbestritten ist, dass das 2015 eingeführte Negativzinsregime der Nationalbank seinen Zenit bereits im Jahr 2018 überschritten hat. Das zeigen Zahlen der Nationalbank. Damals mussten die Geschäftsbanken für ihre Einlagen Negativzinsen von 2048 Millionen Franken abliefern (Zinssatz von minus 0,75 Prozent). Im vergangenen Jahr waren es noch 1378 Millionen – also ein Drittel weniger (siehe Grafik im PDF).
Grund: Die Nationalbank gewährt Schweizer Geschäftsbanken inzwischen höhere Freibeträge für deren Mindesteinlagen bei der Nationalbank. Dieses Jahr könnte der Betrag nochmals sinken: Im ersten Halbjahr überwiesen die Banken Negativzinsen von 673 Millionen Franken. Das bedeutet: Die Banken verlangen von den Kunden zunehmend Guthabengebühren, obwohl ihre Zinsbelastung sinkt.
Für die Kunden wird es immer schwieriger, diese Kosten zu vermeiden. Das zeigt ein Vergleich von K-Geld. Am kundenfreundlichsten ist die Credit Suisse. Der Freibetrag auf dem Privatkonto beträgt 2 Millionen Franken, bevor man Negativzinsen zahlt. Bei der UBS liegt die Schwelle bei 250 000 Franken. Die Zürcher Kantonalbank erklärt, dass «Kleinsparer keine Negativzinsen entrichten», nennt aber keine Obergrenze.
Eine Million Franken kann man bei der Migros-Bank und bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank gebührenfrei auf dem Konto haben. Bei der Nidwaldner Kantonalbank können bestehende Kunden eine Million Franken halten. Neugelder ab 100000 Franken würden «individuell beurteilt», schreibt die Bank. Bei der Basler Kantonalbank kann man 500000 Franken ohne Guthabengebühr parkieren.
Raiffeisen führt im Januar 2022 Negativzinsen ein. Für Neukunden gilt dann ein Freibetrag von 250000 Franken. Ziel dieser Neuerung sei, dass weniger Kundengelder «ohne Absicht einer nachhaltigen Geschäftsbeziehung» parkiert werden, schreibt die Bank.
Grosse Gewinnerin der Negativzinsen ist die Schweizer Fondsindustrie. Ende August verwaltete sie laut Nationalbank 1742 Milliarden Franken. Das sind 253 Milliarden oder 18,4 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Der Löwenanteil dieser Gelder steckt in Aktienfonds.