Ein junges Paar möchte eine Wohnung kaufen und legt dafür jeden Monat Geld auf die Seite. Ein Mann spart ab 50, um sich einige Jahre früher aus dem Berufsleben zurückzuziehen. Eine Frau vor der Pensionierung fragt sich, was besser ist: die Pensionskassenrente oder der Kapitalbezug? Für sie und viele andere ist es von Bedeutung, welche Renditen zu erzielen sind – sei es mit Sparkonten, Obligationen, Aktien oder anderen Geldanlagen.
Fragen Kunden von Raiffeisen ihren Bankberater danach, erhalten sie keine Angaben. «Wir arbeiten nicht mit Renditeprognosen», sagt Raiffeisen-Sprecherin Sonja Stieglbauer. Ebenso ist es bei der Postfinance. Ihr Sprecher Marc Andrey verweist nur auf die Fonds-Faktenblätter: «Auf ihnen führen wir die Renditen der Fonds und der Vergleichsindizes aus der Vergangenheit an.»
Fünf Geldverwalter mit grossem Kundenstamm geben hingegen Schätzungen über zukünftige Renditen ab (siehe Tabelle). Sie unterscheiden sich zum Teil enorm. So hält es die Credit Suisse (CS) für wahrscheinlich, dass Gold bis 2018 im Durchschnitt 7 Prozent pro Jahr zulegt. In den Augen der UBS-Analysten hingegen wird das gelbe Metall in den kommenden fünf Jahren praktisch an Ort treten.
In einem anderen Punkt sind sich Grossbanken, die Versicherungsgesellschaften Axa und Swisslife sowie das VZ Vermögenszentrum einig: Wer auf Aktien setzt, kann auf eine hohe Rendite hoffen. Doch auch hier sollten sich die Anleger nicht von den Zahlen blenden lassen. Es handelt sich – wie bei anderen Anlagen – immer um einen Blick in die Kristallkugel. Die vielfältigen, zum Teil stark unterschiedlichen Prognosen führen es deutlich vor Augen: Kein Geldverwalter kann die Zukunft zuverlässig voraussehen.
Aktien-Renditen: Angaben von 1 bis mehr als 11 Prozent
Die fünf Geldverwalter relativieren ihre Angaben selber. Von Anlageklasse zu Anlageklasse seien nicht nur die möglichen Renditen verschieden, sondern auch die Risiken – sprich: Wertschwankungen. Die Ausschläge nach oben und unten sind laut UBS etwa bei Schweizer Aktien dreieinhalb Mal so stark wie bei Franken-Obligationen. «Alle Rendite-Erwartungen sind durchschnittliche Schätzungen, deren Eintreffen von den Marktschwankungen abhängt», sagt UBS-Sprecher Yves Kaufmann.
Die Credit Suisse arbeitet bei jeder Anlageklasse mit drei Szenarien. In der Tabelle sind diejenigen Werte aufgeführt, die die Bank für am wahrscheinlichsten hält. Davon weichen die Erwartungen der Szenarien «schwach» und «stark» zum Teil massiv ab. Beispiel: Aktien Schweiz. Hier erwartet die CS im Hauptszenario bis 2018 eine Rendite von 6,2 Prozent pro Jahr. Es könnten aber laut CS bei schwacher Entwicklung auch nur 1,6 Prozent – oder im besten Fall satte 11,3 Prozent pro Jahr sein.
Beide Grossbanken und das VZ Vermögenszentrum beschränken ihre Prognose auf fünf Jahre. Ganz anders Axa Winterthur und Swisslife. Sie teilen ihre Rendite-Erwartungen vor allem Interessenten von Mischpolicen mit – also von Lebensversicherungen, die mit Fonds oder einer anderen Geldanlage verknüpft sind. Diese sogenannten anteilgebundenen Policen haben eine sehr lange Laufzeit.
«Die vertragliche Mindestdauer beträgt 10 Jahre», sagt Axa-Sprecher Mark Hauser. Es gibt auch Laufzeiten von 30 und mehr Jahren. Die Renditeprognosen beziehen sich auf die gesamte Policenlaufzeit. Wobei Axa und Swiss Life ähnlich wie die CS neben dem Hauptszenario noch ein pessimistischeres und ein optimistischeres aufführen. In den Offerten erscheinen alle Szenarien als «Beispiele» für eine mögliche Entwicklung.
Die Banken und Versicherungen betonen gegenüber K-Geld, dass ihre Rendite-Erwartungen nicht als sichere Prognosen zu verstehen sind. Und die Unterlagen und Offerten für Kunden enthalten meist Sätze wie «es handelt sich bei diesen Angaben um keine Garantie für die künftige Entwicklung.» Allerdings steht dies meist nur im Kleingedruckten. Kommt dazu: Aus vielen Zuschriften an K-Geld geht hervor, dass Anleger sich hauptsächlich auf ihre Berater und deren Aussagen verlassen. Und diese stehen unter Verkaufsdruck. Ebenso externe Agenten und Vermögensverwalter. Sie können mehr Geschäfte abschliessen, wenn sie ein optimistisches Bild der Zukunft malen.
Welche Schlussfolgerungen sollen die Anleger aus dem Umstand ziehen, dass Rendite-Prognosen problematisch sind? Legen sie das Geld aufs Sparkonto, müssen sie unter Berücksichtigung von Inflation und Steuern schon froh sein, wenn ihr Kapital erhalten bleibt. Setzt man auf Anlagen mit garantierter Rendite, z. B. auf Lebensversicherun-gen, hat das ebenfalls Nachteile: Garantiert ist nur der Nominalwert, einen sicheren Inflationsausgleich gibts nicht. Zudem ist eine solche Garantie nicht gratis. Sie kann die Rendite um 2 oder mehr Prozent schmälern.
Auch wer in Obligationen, Aktien & Co. investiert, sollte sich keinesfalls auf Prognosen mit genauen Prozentzahlen verlassen. Hingegen können Voraussagen mit grösseren Bandbreiten gute Anhaltspunkte sein. Die Erfahrung zeigt zudem zweierlei: Die Mischung verschiedener Anlagen führt zu einem besseren Rendite-Risiko-Verhältnis. Und je länger der Anlagehorizont, umso wahrscheinlicher ist es, dass man auf einen grünen Zweig kommt.
Tipps: Diese vier Punkte müssen Sie vor dem Kauf beachten
- Schauen Sie die schriftlichen Unterlagen genau an. Sie sind meist ehrlicher als mündliche Erklärungen. So müssen die Geldverwalter heute in den Unterlagen auf die Risiken ihrer Aussagen hinweisen. Nehmen Sie die Warnungen ernst.
- Die Renditeprognosen der meisten Geldverwalter berücksichtigen keine Kosten, die bei der Geldanlage anfallen. Fragen Sie, ob die Renditen brutto oder netto zu verstehen sind. Falls die Renditen keine Kosten enthalten: Ziehen Sie von der Rendite 1 bis 2 Prozent pro Jahr ab. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die Geldverwalter selten in der Lage sind, ihre Kosten durch eine besonders geschickte Geldanlage wettzumachen.
- Nicht nur Kundenberater sind meist überoptimistisch. Wissenschaftliche Studien zeigen: Auch Anleger neigen dazu, die Zukunft zu rosig zu sehen, wenn sie Geld investieren. Denken Sie deshalb an die Möglichkeit, dass die Rendite deutlich tiefer sein kann als erhofft. Und tätigen Sie nur solche Anlagen, die Sie bei schlechtem Verlauf nicht aus der finanziellen Bahn werfen.
- Für angehende Pensionäre ist die Tragweite der Renditeprognosen am grössten. Ob Rente oder Kapital – der Entscheid bindet Sie bis zum Lebensende. Wenn Sie vor einer solchen Wahl stehen: Entscheiden Sie sich nur für den Kapitalbezug, wenn Sie über ausreichende Reservepolster verfügen, die Sie anzapfen könnten.