«Florida ist die grösste Höhle, dort stehen die meisten Bäumchen»: Das stand kürzlich in einer argentinischen Zeitung unter einem Foto, das die Strasse Florida im Zentrum von Buenos Aires zeigte. Auf den ersten Blick ist der Satz unverständlich. Doch in Argentinien weiss jeder, was damit gemeint ist: Die Strasse Florida ist die grösste illegale Wechselstube der Stadt. Denn solche Wechselstuben heissen in Argentinien «cuevas», zu Deutsch «Höhlen». Und die fliegenden illegalen Geldwechsler nennt man «arbolitos», übersetzt «Bäumchen». Sie stehen überall in der Fussgängerzone um die Florida herum. Den Passanten zischen sie zu: «Cambiooo, cambiooo, Dollar, Pesos, Euros.»
Ausländische Devisen sind bei den Argentiniern sehr gefragt. Den einheimischen Banken und dem argentinischen Peso traut niemand mehr. Man spart lieber US-Dollars zu Hause unter der Matratze statt Pesos auf einem Bankkonto. Doch Dollars sind auf legalem Weg nicht leicht zu bekommen: Argentinier brauchen eine Genehmigung der Steuerbehörden, um Pesos in Dollars wechseln zu dürfen. Diese Genehmigungen gibt es nur begrenzt und bloss für brave Steuerzahler. Also kaufen viele Sparer die Dollars auf dem Schwarzmarkt.
Für ausländische Argentinien-Besucher bedeutet das: Ihre Dollars sind heiss begehrt. Entsprechend machen sie auf dem Schwarzmarkt ein gutes Geschäft. Bei einer offiziellen Wechselstube erhält man für 1 Dollar rund 9 Pesos. Wer illegal umtauscht, bekommt knapp 15 Pesos. Allerdings zuweilen auch Falschgeld. Schon deshalb rate ich meinen Besuchern davon ab, zu einem «Bäumchen» zu gehen.
Trotz der Illegalität des Wechsels ist der Umgang der Argentinier mit diesem Thema überraschend entspannt. Selbst in der konservativen Tageszeitung «La Nación» – vom Prestige her mit der «NZZ» vergleichbar – empfahl ein Kommentator den Lesern: Legt euer Geld nicht auf der Bank an, kauft lieber Schwarzmarkt-Dollars. Das lohne sich eher als eine Festgeldanlage bei der Bank. Er prophezeite für den Schwarzmarkt-Dollar – auch «Dolar blue» genannt – eine Wertsteigerung von 32 Prozent für die nächsten Monate.
Ist das nicht eine Aufforderung zu einer illegalen Handlung? Als ich meine argentinischen Freunde dazu befragte, reagierten sie verständnislos. Der parallele Dollar hat sich längst im Alltag etabliert. Auch für Leser von «La Nación» kam die Anlageempfehlung nicht überraschend. Seit vielen Monaten zeigt die Zeitung online zwei aktuelle Dollarkurse an: für den offiziellen Dollar und für den «Dolar blue».