2001: Das Ende der Odyssee?
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K-Geld 2/2000
01.12.2000
Nach den Herbststürmen sollten sich die Wogen an den Weltbörsen wieder glätten. Das jedenfalls meinen die acht Fondsmanager, die K-Geld ihre Börsenstars für das kommende Jahr enthüllten.
32 Jahre später mutet Stanley Kubricks Kultfilm «2001: A Space Odyssey» visionär an. Sein Held, der Raumfahrer Heywood Floyd, schien schon in den Fängen der Technik verloren. Da riss er dem übermächtigen Bordcomputer HAL kurzerhand die Speicher heraus und machte dem Hightech-Spuk ein ...
Nach den Herbststürmen sollten sich die Wogen an den Weltbörsen wieder glätten. Das jedenfalls meinen die acht Fondsmanager, die K-Geld ihre Börsenstars für das kommende Jahr enthüllten.
32 Jahre später mutet Stanley Kubricks Kultfilm «2001: A Space Odyssey» visionär an. Sein Held, der Raumfahrer Heywood Floyd, schien schon in den Fängen der Technik verloren. Da riss er dem übermächtigen Bordcomputer HAL kurzerhand die Speicher heraus und machte dem Hightech-Spuk ein Ende.
Heute, kurz vor Anbruch eben dieses Jahres 2001, stehen die Börsianer vor einer ähnlichen Frage: Sollen sie nach dem jüngsten Crash die Hightech-Aktien aus ihrem Portefeuille kippen, um so den Schaden in Grenzen zu halten? - Nein, sollen sie nicht, raten die acht von K-Geld befragten Fondsmanager. Für das kommende Jahr sind sie allesamt gedämpft optimistisch und rechnen insbesondere in Europa mit einer guten Börse.
Dass ihr Blick in die Zukunft mehr als Wahrsagerei ist, dafür bürgt ihr Hintergrund. Mit ihren Fonds erzielten sie in den letzten Jahren eine überdurchschnittliche Performance.
Der Höhenflug der Schweizer Small & Mid Caps finde nächstes Jahr keine Fortsetzung, die Bewertungslücke gegenüber den Standardwerten sei geschlossen, meint Peter F. Burri von der Beteiligungsgesellschaft Swiss Small Cap Invest. Allerdings dürften gewisse Titel über ein Kurspotenzial von 10 und mehr Prozent verfügen. Zum Beispiel Bachem: Der weltgrösste Peptid-Hersteller hat eben erst seine Produktionskapazitäten verdreifacht, Umsatz und Gewinn dürften zweistellig wachsen.
Optimistischer ist Stefan Frischknecht von Schroders. Schweizer Nebenwerte seien nach wie vor attraktiv bewertet. Wie Burri bevorzugt er gut positionierte Qualitätsfirmen, die trotz abkühlender Konjunktur weiter wachsen. Einer seiner Lieblinge ist Kühne & Nagel. Der Titel sei gut positioniert und verfüge über grosse Wachstumschancen. Zudem sei der Logistikmarkt «einer der wenigen Bereiche, der aus dem Internetboom bereits heute deutlich Kapital schlagen kann».
Auf die Schweizer Blue Chips könne man weiter setzen, meinen Patrik Carisch von der Credit Suisse und Patrick Frei von der Bank Vontobel. Im ersten Halbjahr müsse man dabei sein, «für das zweite Semester sind wir zurückhaltend» (Carisch). Damit ist es mit den Gemeinsamkeiten der beiden auch schon vorbei. Trotz der kleinen Auswahl von nur 29 SMI-Titeln setzen sie in keinem Fall auf das gleiche Pferd. Nicht einmal bei den Indexschwergewichten sind sie sich einig: Frei bevorzugt CS und Novartis, Carisch UBS und Roche.
«Wir gehen davon aus, dass die Beruhigung an der Zinsfront anhalten und den Aktienmärkten eine solide Stütze verleihen wird», sagt CS-Mann Carisch. Die Konsolidierung im Hightech-Sektor sei aber noch nicht ausgestanden. Davon dürften die defensiveren Schweizer Blue Chips profitieren, die im internationalen Vergleich günstig bewertet seien.
Nach der Halbierung des Aktienkurses habe die SAirGroup grosse Chancen, zu einem eigentlichen Steigflug anzusetzen. Die einzelnen Firmenteile seien mehr wert, als der Aktienkurs anzeige. Zudem habe der Titel wieder Fantasie, da Publikumsöffnungen von Nicht-Airline-Aktivitäten möglich seien. Das heisse aber nicht, dass die SAirGroup die Turbulenzen überwunden habe. Es handle sich um einen spekulativen Titel für risikobewusste Anleger.
Vontobel-Fondsmanager Frei setzt 2001 schwergewichtig auf niedrig bewertete Titel. Am meisten Potenzial sieht er bei zwei in letzter Zeit arg gebeutelten Titeln: ABB und Swatch. Aber auch Holderbank sagt er einen Boom voraus. Der Konzern könne jetzt die Früchte ernten, die er während der Asienkrise gesät habe, als er sich billig in die Emerging Markets eingekauft habe, meint er.
Europa ist nach dem Taucher im Herbst wieder ein Thema, so Frei. Die hohen Bewertungen seien korrigiert und verschiedene Titel nun wieder günstig bewertet. Die europäische Wirtschaft werde nächstes Jahr annähernd drei Prozent wachsen. Swissca-Fondsmanager Peter Brändle erwartet trotzdem, dass die Unternehmensgewinne um über 10 Prozent steigen werden. Dies sei eine gute Basis für Kurserholungen. Ähnlich optimistisch ist die Julius-Bär-Fondsmanagerin Petra Oeschger. Ihren Favoriten sagt sie eine noch bessere Performance voraus.
Zufall oder nicht, Oeschger und Brändle bevorzugen die gleichen Branchen - vor allem Telekom - und zwei ihrer Top 5 sind identisch: das Software-Unternehmen Logica und die im Lebensversicherungs- und Fondsgeschäft tätige Skandia.
Oeschger attestiert Logica «eine der höchsten Wachstumsraten unter den europäischen Software-Gesellschaften». Die Konzentration auf stark wachsende Bereiche (Telekom, Energie, Versorgung) werde die Gewinne in die Höhe schnellen lassen. - Skandia, der andere gemeinsame Liebling, werde nach den Erfolgen in den USA nun in Europa expandieren. Rentenreformen, wie sie in Deutschland geplant sind, dürften das Wachstum noch beschleunigen.
Uneins sind sich die beiden Fondsmanager nur in der alten Frage, wer denn nun besser sei: Nokia oder Ericsson? Oeschger favorisiert Nokia. Denn die Finnen werden «ihre marktbeherrschende Stellung weiter festigen» sowie Wachstum und Profite unverändert hoch halten können. Brändles Liebe gilt hingegen den Schweden: Ericsson verfüge über den besseren Infrastruktur-Bereich - und im problembeladenen Handy-Bereich könne es jetzt eigentlich nur noch aufwärts gehen.
Wohin geht die Reise ausserhalb Europas? Darüber sind sich die Experten nicht ganz einig. «Wir haben den Zinsgipfel in den USA und Europa gesehen und rechnen mit leicht rückläufigen Ölpreisen», meint DWS-Fondsmanager Klaus Kaldemorgen - und setzt auf Hightech-Titel. Zum Beispiel auf Sony: Die Japaner verfügten über eine breite Produktepalette, das Unternehmen sei strategisch gut positioniert und das Image der Marke ausgezeichnet.
Kaldemorgen setzt aber nicht nur auf Hightech, sondern auch auf einen «der Hauptprofiteure von E-Commerce und Direktvertrieb»: die FedEx Corporation. Der Titel sei günstig, denn die Firmengewinne dürften bis 2006 «jährlich um 13 Prozent steigen».
Vorsichtiger ist Rob Lay von Fleming, der vor allem über die Entwicklung der Hightechs besorgt ist. Zentral sei, wie sich die Abkühlung der Konjunktur auf die Unternehmensgewinne auswirke. Lay bevorzugt neben Europa Fernost. Japans Wirtschaft stehe vor einem Aufschwung und China werde von der Öffnung seiner Märkte profitieren. Das schlägt sich in seinen Tipps nieder: Zwei seiner Börsenstars kommen aus Japan, zwei aus Hongkong. Für die USA ist Lay dagegen pessimistisch gestimmt. Ein Ende der Odyssee sei dort nicht in Sicht.
Martin Vetterli