Buchtipp: Der Fahrplan zum Atomausstieg
Ex-Nationalrat Rudolf Rechsteiner rechnet vor, wie sich der Atomstrom durch erneuerbare Energien ersetzen lässt.
Inhalt
saldo 06/2012
24.03.2012
Letzte Aktualisierung:
27.03.2012
ja, tis, ssc, Harald Tappeiner
Der nach der Katastrophe von Fukushima beschlossene Abschied von der Atomkraft hat einen Schönheitsfehler: Kaum einer weiss, wie er zu bewerkstelligen ist. Hier setzt Rudolf Rechsteiner an: Das grösste Potenzial sieht er in der einheimischen Photovoltaik. Der Basler SP-Politiker plädiert für mehr Solaranlagen auf Dächern, an Weg- und Strassenrändern, auf Industriebauten und Lawinenverbauungen. Dazu kommt die Windkraft: Würde die Schweiz 5 Prozent der deutsch...
Der nach der Katastrophe von Fukushima beschlossene Abschied von der Atomkraft hat einen Schönheitsfehler: Kaum einer weiss, wie er zu bewerkstelligen ist. Hier setzt Rudolf Rechsteiner an: Das grösste Potenzial sieht er in der einheimischen Photovoltaik. Der Basler SP-Politiker plädiert für mehr Solaranlagen auf Dächern, an Weg- und Strassenrändern, auf Industriebauten und Lawinenverbauungen. Dazu kommt die Windkraft: Würde die Schweiz 5 Prozent der deutschen Windzonen vor der Nordseeküste pachten, liessen sich 50 Prozent des Stromverbrauchs decken. Zudem rechnet Energieexperte Rechsteiner mit dem Spareffekt durch mehr energieeffiziente Geräte. Die Geothermie hingegen hält er erst in rund 20 Jahren für marktreif.
Der skizzierte Fahrplan ist bemerkenswert: Rechsteiner hält es für machbar, dass 2030 Strom aus erneuerbarer Energie im Umfang von 112 Terawattstunden zur Verfügung steht. Heute verbraucht die Schweiz rund 60 Terawattstunden im Jahr. Und erst noch fast zum gleichen Preis. Die Konsumenten müssten pro Kilowattstunde Strom nur wenige Rappen mehr zahlen als bisher.
Das Buch bietet eine gute Übersicht über den aktuellen Stand der Energiedebatte und ist zugleich ein kompaktes Nachschlagewerk mit vielen farbigen Illustrationen. Die Abhandlung birgt allerdings auch Kontroverses: So bleibt unklar, warum sich der Autor für eine Anbindung an Nordsee-Windanlagen ausspricht, aber dem Import von Solarenergie aus dem Süden skeptisch gegenübersteht.
Rudolf Rechsteiner, «100 Prozent erneuerbar», Orell Füssli, ca. Fr. 30.–
Buch-Tipps
Nach der Krise ist vor der Krise
Walter Wittmann geht mit den Banken hart ins Gericht. Der konservative Ökonom geisselt die Superlöhne der Banker als Auswüchse eines aus den Fugen geratenen Finanzsystems. Wittmann warnt: Die Finanzbranche hat nichts dazugelernt. Undurchsichtige Hedgefonds und andere «Anlagevehikel» verzeichneten bereits wieder hohe Wachstumsraten. Wittmann sieht die nächste, noch heftigere Krise kommen. Sein Tipp für Normalverdiener mutet aber merkwürdig an: Für den Fall eines Bankenkollapses müsse man zu Hause genügend Bargeld haben, Gold in Barren und einen Notvorrat an Lebensmitteln. Wie im Krieg.
Walter Wittmann, «Superkrise», Orell Füssli, ca. Fr. 27.–
Gut gemeinte Mikrokredite
Mikrokredite gelten als Heilmittel gegen Armut in Entwicklungsländern. Ökonom Muhammad Yunus bekam für seine Erfindung den Nobelpreis. Der Journalist Gerhard Klas entzaubert den Mythos: Es sei nicht nachgewiesen, dass die Mikrofinanzierung die Armut mindere. Oft nehmen Betroffene erneut Geld auf, um den ersten Kredit abzuzahlen. Fazit: «Mit Mikrofinanz die Armut zu bekämpfen, ist wie mit Waffenexporten Krieg zu verhindern.» Als Alternative schlägt Klas Formen solidarischer Ökonomie wie ein Grundeinkommen vor. Er lässt Kleinbauern- und Frauenorganisationen sowie Betroffene zu Wort kommen.
Gerhard Klas, «Die Mikrofinanz-Industrie», Assoziation A, ca. Fr. 29.–
Lehren aus Fukushima
Susan Boos, Redaktionsleiterin der «Wochenzeitung», hat Japan ein halbes Jahr nach dem Reaktorunglück besucht. Sie hat mit Evakuierten gesprochen, mit Physikern und Vertretern der AKW-Betreiberin Tepco. Ihr Fazit: Die Evakuierungspläne in der Schweiz sind völlig unrealistisch. Findet in Beznau ein vergleichbares Unglück statt, müssten die Behörden im Umkreis von 40 Kilometern eine Sperrzone errichten. Vorgesehen sind 20 Kilometer. Weit über eine Million Menschen wären betroffen. Boos’ Buch ist eine verständliche und spannende Analyse des Reaktorunglücks in Japan. Die Lehren daraus muss die Schweiz erst noch ziehen.
Susan Boos, «Fukushima lässt grüssen», Rotpunkt, ca. Fr. 34.–