«Herr Arbter, wieso legen Sie die Kosten nicht offen?»
Viele Versicherte ärgern sich über gekürzte Überschüsse und undurchsichtige Kostenstrukturen von Lebensversicherungen. Urs Arbter, Leiter Privatkunden bei der Swiss Life, nimmt Stellung.
Inhalt
K-Geld 6/2006
13.12.2006
Interview: Philipp Lütscher
Herr Arbter, würden Sie einen Vertrag abschliessen, aus dem hervorgeht, welches Ihre Pflichten sind, in dem aber nicht steht, was Sie von der Gegenpartei dafür erhalten?
Urs Arbter: Bei einer klassischen Lebensversicherung ist klar definiert, was die Leistungen im Versicherungsfall sind und wie die Überschüsse künftig verteilt werden. Entscheidend bei der Wahl der Vorsorge ist die Analyse der Bedürfnisse. Bei einer Lebensversicherung ist es wichtig, die persönliche Risikofähigkeit...
Herr Arbter, würden Sie einen Vertrag abschliessen, aus dem hervorgeht, welches Ihre Pflichten sind, in dem aber nicht steht, was Sie von der Gegenpartei dafür erhalten?
Urs Arbter: Bei einer klassischen Lebensversicherung ist klar definiert, was die Leistungen im Versicherungsfall sind und wie die Überschüsse künftig verteilt werden. Entscheidend bei der Wahl der Vorsorge ist die Analyse der Bedürfnisse. Bei einer Lebensversicherung ist es wichtig, die persönliche Risikofähigkeit richtig einzuschätzen. Je nach Risikofähigkeit kann eine klassische Lebensversicherung, deren genauen Ertrag ich erst später kenne, die richtige Anlage sein. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ja, einen derartigen Vertrag kann man im Falle einer Lebensversicherung abschliessen.
Es ist aber nicht klar definiert, wie hoch die Überschüsse künftig sein werden. Und der Kunde kann deren Zuteilung nicht überprüfen. Er erhält die notwendigen Infos nicht.
Das Bundesamt für Privatversicherungen hat hier eine wichtige Rolle. Die Versicherungen haben die Jahresabschlüsse jeder Produktegruppe dem BPV vorzulegen.
Das BPV hat eine sehr eingeschränkte Kontrollfunktion. Es hat auch keinen Einblick in die Rechnungen der Versicherer.
Die Dokumentation, die das BPV zur Überschussberechnung erhält, ist sehr umfassend. Das BPV nimmt diese Kontrolltätigkeit aktiv wahr.
Hat das BPV schon einmal von den Versicherungen beantragte Überschusskürzungen zurückgewiesen?
Das ist mir nicht bekannt.
In Deutschland hat der Gesetzgeber die Versicherungen letztes Jahr zu mehr Transparenz im Bereich der Überschüsse verpflichtet. Braucht es auch in der Schweiz einen Gerichtsentscheid, bis die Versicherungen die Berechnung der Überschüsse transparenter machen?
Seit 1. Januar ist ein neues Versicherungsaufsichtsgesetz in Kraft. Es enthält Transparenzvorschriften, welche die Swiss Life erfüllt. Diese Vorschriften legen genügend klar fest, wie die Überschüsse zuzuteilen sind.
Das BPV sagt dazu: «Die Lebensversicherer haben den Versicherten jährlich eine nachvollziehbare Abrechnung über die Überschussbeteiligung abzugeben.» Eine «nachvollziehbare Abrechnung» ist doch nicht transparent. Weshalb geht die Swiss Life nicht mit gutem Beispiel voran und legt die Kriterien für die Berechnung der Überschüsse offen?
Die Überschussberechnung ist sehr kompliziert und berücksichtigt Kosten, Anlage und Risiko. Die Kunden würden eine Offenlegung dieser Berechnung nicht positiv aufnehmen.
Wieso nicht?
Weil die Berechnung schwer verständlich ist. Deshalb müssen die Versicherer diese Rechnung dem BPV, das einen klaren Konsumentenschutz-Auftrag hat, vorlegen.
Das BPV hat keinen Konsumentenschutz-Auftrag. Aber zurück zu meiner Frage: Weshalb lassen Sie den Kunden nicht selbst entscheiden, was zu kompliziert ist für ihn und was nicht?
Unsere neuen Kundeninformationen sind relativ ausführlich. Wir erklären darin die Überschussberechnung - zwar nicht mit mathematischen Berechnungen, aber mit einem Beschrieb der Funktionsweise.
Weshalb werden bei Abschluss einer Lebensversicherung überhaupt noch Überschüsse prognostiziert?
Der Kunde will wissen, wie hoch die Überschüsse sein könnten. Die Überschussmöglichkeit zeichnet die klassische Lebensversicherung aus. Der Kunde kann von steigenden Zinsen profitieren. Dies möchte man ihm kommunizieren.
Sinkende Zinsen führen andererseits aber zu einer Reduktion der Überschüsse. Die Kunden sind enttäuscht, weil sie weniger erhalten als prognostiziert.
Wir haben in den letzten Jahren eine ausgeprägte Tiefzinssituation gehabt. Viele Überschussprognosen der 90er-Jahre haben sich deshalb nicht erfüllt. Wer aber in den 90er-Jahren eine Lebensversicherung mit beispielsweise 3,5 Prozent Zins abgeschlossen hat, ist auch ohne Überschüsse gut bedient.
Die Höhe der Überschüsse hängt vor allem davon ab, wie viel Geld die Versicherer an den Finanzmärkten verdienen. Die Börsen boomen seit 2003. Weshalb profitieren die Versicherten nicht davon?
Die Anlagepolitik muss sich an den langfristigen Leistungsversprechen gegenüber den Kunden orientieren. Die Sicherheit steht im Vordergrund - die Gelder werden schwergewichtig in festverzinsliche Anlagen investiert. Die Börsenbewegungen sind deshalb weniger entscheidend für die Überschüsse als die Zinsbewegungen.
Vor der Börsenbaisse war das noch anders. Damals hatten die Versicherer, auch die Swiss Life, noch einen deutlich höheren Aktienanteil. Zahlen die Kunden für die damals zu riskante Anlagestrategie?
Der Einbruch an den Börsen war eine Zäsur in der Entwicklung der Kapitalmärkte. Wir haben bewiesen, dass wir auch bei einem so starken Einschnitt bestehen können.
Ein weiteres Ärgernis sind die Kosten. Wieso können Sie Ihren Kunden nicht sagen, wie hoch die Risiko- und die Verwaltungskosten einer klassischen Lebensversicherung sind?
Wenn Sie ein Auto kaufen, wissen Sie auch nicht, wie viel die einzelnen Elemente kosten und wie viel die Garage verdient. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Konzept für eine klassische Lebensversicherung ebenfalls richtig ist. Wer die Kosten aufgeteilt haben möchte, ist mit einer fondsgebundenen Versicherung perfekt bedient.
Auch bei einer fondsgebundenen Versicherung wird die Höhe der Verwaltungskosten nicht kommuniziert.
Es gibt unterschiedliche Produkte im Markt mit unterschiedlicher Transparenz, das ist richtig.
Wüssten die Kunden, wie viel die Versicherung für Abschluss und Verwaltung verlangt, würden wohl deutlich weniger solche Policen abgeschlossen. Ist das der Grund, weshalb Sie diese Kosten weder in der Offerte noch in der Police ausweisen?
Vorsorgethemen werden zunehmend komplex. Das bedingt eine zeitaufwändige Beratung. Diese Kosten werden in die Produkte integriert. Wir sind überzeugt, dass dieses Modell zur Einfachheit der Produkte beiträgt.
Noch einmal meine Frage: Wieso weisen Sie den Betrag nicht aus?
Für den Kunden ist der Gegenwert entscheidend, den er für seine Investition erhält.
Ist für den Kunden nicht auch entscheidend, wie viel er für das Produkt bezahlt, das er kauft?
Doch. Unser Versicherungsmarkt spielt sehr gut und die Konkurrenz unter den Versicherungen stellt das sicher.
Wenn die Konkurrenz im Versicherungsmarkt für tiefe Kosten sorgt, könnte die Swiss Life doch die Vorreiterrolle übernehmen und die Kosten ausweisen?
Wir sind überzeugt, dass es sich nicht lohnt, die Abrechnung eines bereits relativ komplizierten Produktes unübersichtlich, mit sehr vielen Zahlen, darzustellen. Das würde den Kunden nur verunsichern. Deshalb machen wir das nicht.
Es wäre ja nur eine zusätzliche Zahl. Für den Kunden wäre es von Interesse, diese Zahl zu erfahren.
Da decken sich unsere Einschätzungen nicht.