Kehrichtgebühren - Doppelte Abfallkosten für Wochenaufenthalter
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saldo 7/2000
12.04.2000
Tausende Wochenaufenthalter zahlen die Kehrichtgrundgebühren zweimal. Die Gemeinden kassieren für Müll, den Bewohner anderswo produzieren.
Das ist doch eine Abzockerei", ärgert sich Thomas Gosteli über die Rechnung der Stadt Delsberg, die er bezahlen soll. Der 22-Jährige arbeitet als Betriebsdisponent bei
den SBB.
Zurzeit fertigt er auf der Station von St. Ursanne JU die Züge ab. Die Arbeitszeiten sind unregelmässig. In Delsberg, nicht weit von St. ...
Tausende Wochenaufenthalter zahlen die Kehrichtgrundgebühren zweimal. Die Gemeinden kassieren für Müll, den Bewohner anderswo produzieren.
Das ist doch eine Abzockerei", ärgert sich Thomas Gosteli über die Rechnung der Stadt Delsberg, die er bezahlen soll. Der 22-Jährige arbeitet als Betriebsdisponent bei
den SBB.
Zurzeit fertigt er auf der Station von St. Ursanne JU die Züge ab. Die Arbeitszeiten sind unregelmässig. In Delsberg, nicht weit von St. Ursanne, hat er sich deshalb ein Zimmer gemietet und sich als Wochenaufenthalter angemeldet. Seine Freizeit verbringt er meist in Aarberg BE bei seinen Eltern. Prompt hat er von der Stadtverwaltung Delsberg Post erhalten - die Rechnung für die Abfallgrundgebühr. Der Betrag: satte 84 Franken.
Mit den Gebühren decken Gemeinden Recycling-Kosten
Thomas Gosteli versteht die Welt nicht mehr. Denn: "In Aarberg habe ich bereits eine Abfallgrundgebühr bezahlt. Ich produziere doch nicht Abfall für zwei", empört er sich.
Der SBB-Angestellte ist nicht der Einzige, der dop-pelt zur Kasse gebeten wird. Mit ihm bezahlen laut Bundesamt für Statistik mehr als 115 000 andere Wochenaufenthalter an zwei verschiedenen Orten Kehrichtgrundgebühren. Damit decken die Gemeinden ihre Kosten für das Recycling.
Wochenaufenthalter werden nicht berücksichtigt
Wie die Gebühren eingezogen werden, ist in den Abfallreg-lementen festgehalten. An die Wochenaufenthalter hat jedoch darin kaum eine Gemeinde gedacht. Während an einigen Orten die Gebühr an der Anzahl Wohnungszimmer bemessen und vom Vermieter auf den Mietzins abgewälzt wird, bitten andere Gemeinden ihre Bewohner über die Strom- und Gasrechnung zur Kasse. Viele Wochenpendler sind sich deshalb gar nicht bewusst, dass sie für ihren Abfall doppelt bezahlen.
Das findet Gosteli nicht richtig. Er hat deshalb schon im Februar auf der Gemeindeverwaltung in Aarberg, wo er offiziell niedergelassen ist, interveniert und um einen Erlass der Gebühr von Fr. 96.75 gebeten. Vergeblich.
In Delsberg ist er bereits im Dezember mit seinem Rekurs gegen die Gebühr abgeblitzt. Für die zuständige Gemeinderätin Madeleine Amgwerd ist klar: "Es wäre an Aarberg, Herrn Gosteli die Abfallgrundgebühr zu erlassen. Denn hier in Delsberg wohnt und produziert er Abfall. Also muss er hier bezahlen." Etwas anderes sei es, wenn jemand in Delsberg niedergelassen sei, aber als Wochenaufenthalter auswärts wohne und Abfall produziere. "Dann erlassen wir ihm die Entrichtung der Kehrichtgrundgebühr", so Amgwerd.
Es trifft vor allem junge Leute mit kleinen Löhnen
Damit steht die Gemeinde Delsberg ziemlich einsam da. Weder in den Städten Zürich und Bern noch in der Gemeinde Köniz ist man beispielsweise gewillt, den Wochenaufenthaltern die Kehrichtgrundgebühr zu erlassen. Auch in Aarberg will man davon nichts wissen. "In unserer Gemeinde schuldet jeder Bewohner über 18 Jahren die Abfallgrundgebühr. So steht es im Reglement", hält Gemeindepräsident Hans-
Rudolf Zosso fest. Eine Aufteilung der Gebühren zwischen Delsberg und Aarberg kommt für ihn nicht in Frage.
Für Gosteli ist es unverständlich, dass man bei der Abfassung des Abfallreglementes in Aarberg nicht an diejenigen gedacht hat, die zwei Wohnsitze haben. Denn: "Es trifft vor allem die Jungen. Diese sind oft Wochenaufenthalter und haben noch nicht so einen grossen Lohn."
Philippe Welti