Der Kläger lässt sich vor dem Bezirksgericht Winterthur durch seinen Anwalt vertreten. Auch die beklagte Axa Winterthur ist nur durch einen Anwalt präsent. Der Versicherungskunde verlangt vom Gericht die Feststellung, dass seine vor rund 20 Jahren abgeschlossene Lebensversicherung weiterhin besteht.
Unbestritten ist: Der Versicherte hatte die fällige Prämie von 580 Franken nicht bezahlt. Gut einen Monat später mahnte ihn die Axa. Er solle die Prämie innert 14 Tagen bezahlen. Sonst werde die Police in eine prämienfreie Versicherung mit herabgesetzten Leistungen umgewandelt. Dies tat sie auch, nachdem die Zahlung ausblieb. Eine Reaktivierung der Police machte die Axa von der Bezahlung der Prämie und einer erneuten Gesundheitsprüfung des Klägers abhängig. Dieser war damit nicht einverstanden und reichte Klage ein.
Der Einzelrichter befragt als Erstes einen leitenden Angestellten der Axa. Er will wissen, wie die Versicherung vorgeht, wenn jemand die Prämie nicht zahlt.
«Zuerst wird eine Frist gesetzt», antwortet der Kadermann. «Wenn der Kunde innert dieser Frist die Prämie bezahlt, wird die Versicherung automatisch reaktiviert.» Wenn der Kunde nicht zahle, werde die Versicherung in eine prämienfreie umgewandelt oder annulliert.
Selbst der Angestellte der Axa kann die Klausel nicht erklären
Der Richter reicht dem Axa-Angestellten ein Blatt Papier. «Mich nimmt wunder, was Sie dazu sagen. Wie verstehen Sie diese Vertragsklausel?» Beim Papier handelt sich um die Vertragsbedingungen. Der Kaderangestellte der Axa liest laut vor: «Wenn der Kunde nicht zahlt, gibt es eine Frist von 14 Tagen. Bleibt die Mahnung ohne Erfolg, bleibt die Police sechs Monate in Kraft, danach wird sie umgewandelt.» Er zögert und überlegt laut: «Wenn der Kunde nach der Frist doch noch zahlt …» Doch davon steht nichts in den Bestimmungen. «Ja, was passiert dann, wie werden solche Klauseln bei der Axa angewandt?», hakt der Richter nach.
Der Zeuge wirkt unsicher: «Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen», sagt er. Der Anwalt des Klägers bohrt nach: «Was machen Sie mit der Police, wenn der Kunde innert 6 Monaten die Prämie nachzahlt?» Antwort: «Ich weiss es nicht genau.»
Kläger geht voneiner Lücke in den Bedingungen aus
Nun begründet der Anwalt des Klägers die Klage gegen die Versicherung: «Im Vertrag ist nicht geregelt, was passiert, wenn ein Kunde die Prämien innert 6 Monaten nachzahlt.» Diese Lücke müsse zugunsten des Versicherten ausgelegt werden. Wenn weiterhin Prämien geschuldet seien, bestehe «logischerweise» auch die Police weiter.
Für den Anwalt der Versicherung ist der Fall klar
Das sieht der Anwalt der Axa anders: Von einer Lücke könne keine Rede sein. Der Fall sei klar: Wenn die Prämie nicht innert 14 Tagen bezahlt werde, werde die Police nach 6 Monaten umgewandelt. Das gelte auch, wenn der Kunde die Prämie bis dahin noch bezahle.
Einige Wochen später kommt das Urteil per Post: Das Bezirksgericht weist die Klage ab. Begründung: Gemäss Klausel bleibe die Versicherung im Falle einer erfolglosen Mahnung noch 6 Monate lang in Kraft. Danach werde der Vertrag in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt. Das heisst: Bei Ablauf der Lebensversicherung erhält der Kunde den Rückkaufswert der Police ausbezahlt. Diese Bestimmung war nach Ansicht des Gerichts gültig, obwohl sie vom Gesetz abweicht. Also sei auch die Police des Klägers nach den 6 Monaten «ohne weiteres» in eine prämienfreie umgewandelt worden.
Der Kläger muss die Gerichtskosten von 2350 Franken berappen und der Axa eine Parteientschädigung von 4260 Franken zahlen.
Der Unterlegene ist mit dem Entscheid nicht einverstanden und gelangt ans Obergericht des Kantons Zürich. Vergeblich: Das Gericht weist die Berufung mit derselben Begründung wie das Bezirksgericht ab: Die Klausel sei so zu verstehen, dass während 6 Monaten weiterhin Versicherungsschutz besteht. In dieser Zeit könne sich der Versicherte nach einer anderweitigen Deckung des versicherten Risikos umsehen.
Der Versicherte könne die Police aber nicht durch die Zahlung der verpassten Prämie innert der 6 Monate reaktivieren. Das ergebe sich aus der Klausel nicht. Der Entscheid des Obergerichts kostet den Kläger weitere 1800 Franken.
Klagen auf Feststellung sind zulässig
Die weitaus meisten gerichtlichen Klagen von Privaten und Unternehmen lauten auf die Bezahlung eines bestimmten Betrags. Das heisst: Der Kläger verlangt vom Gericht, dass es die beklagte Partei verpflichtet, ihm eine bestimmte Summe Geld zu bezahlen. Juristen sprechen in solchen Fällen von Forderungsklagen.
Das Gesetz gibt aber Klägern auch die Möglichkeit, vom Gericht eine Feststellung zu verlangen. Das ist dann von Bedeutung, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob ein Vertrag noch gilt oder eine Schuld noch besteht. Solche Feststellungsklagen sind nur beschränkt zulässig: in der Regel dann, wenn (noch) keine Forderungsklage möglich ist.