Occasion: Tappen Sie nicht in die Emotionsfalle
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Haus & Garten 4/2000
01.09.2000
Der Occasionsmarkt wächst von Jahr zu Jahr. Entsprechend häufen sich die Reklamationen über fiese Händlertricks. K-Spezial sagt Ihnen, worauf Sie beim Kauf Ihres nächsten Gebrauchtwagens achten müssen.
Dieter Keller aus Olten SO kannte den Garagisten Domenico Calarco, Inhaber der Stadtpark-Garage, schon lange. Er vertraute ihm und kaufte vor einem Jahr bei ihm einen flotten, aber schon etwas bejahrten Alfa Romeo. Im Eintausch mit Kellers altem Ford kostete der Italiener noch...
Der Occasionsmarkt wächst von Jahr zu Jahr. Entsprechend häufen sich die Reklamationen über fiese Händlertricks. K-Spezial sagt Ihnen, worauf Sie beim Kauf Ihres nächsten Gebrauchtwagens achten müssen.
Dieter Keller aus Olten SO kannte den Garagisten Domenico Calarco, Inhaber der Stadtpark-Garage, schon lange. Er vertraute ihm und kaufte vor einem Jahr bei ihm einen flotten, aber schon etwas bejahrten Alfa Romeo. Im Eintausch mit Kellers altem Ford kostete der Italiener noch 1000 Franken. Doch das vermeintliche Schnäppchen - «der Wagen sah von aussen tipptopp aus» - entpuppte sich sehr schnell als Schrotthaufen.
Nach 200 Kilometern versagte die Kupplung, kurze Zeit später gab auch die Batterie den Geist auf.
Da Keller den Wagen ohne Occasionsgarantie gekauft hatte, musste er alles selber bezahlen. Misstrauisch geworden unterzog er den Wagen zwei Monate nach dem Kauf beim TCS-Center Oensingen SO einer Prüfung.
Die Diagnose war niederschmetternd: Federung, Rad- und Achsaufhängung hatten Spiel, der Auspufftopf war kaputt, ebenso einzelne Beleuchtungselemente des Armaturenbretts und die Scheibenwischer. Zudem war eines der Rückspiegelgläser nur mit Doppelklebeband fixiert und der Karosserieunterboden hatte - laut TCS-Protokoll - dringend eine Behandlung nötig.
«Alles in allem», zieht IV-Bezüger Keller Bilanz, «kosteten mich die Reparaturen bis anhin über 3000 Franken.» Nochmals so viel Geld ging für seinen Anwalt und Gerichtskosten drauf, ohne dass bisher ein Urteil feststeht.
Garagist Calarco weist entschieden alle Schuld am miserablen Zustand des Alfas von sich.
So wie Dieter Keller geht es vielen Käuferinnen und Käufern von Gebrauchtwagen. Geblendet vom glänzenden Lack und dem wie neu aussehenden Innenraum vergessen sie beim Occasionskauf das oberste Gebot: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!
670000 Occasionsautos wurden im letzten Jahr verkauft. Mehr denn je. Die wachsende Nachfrage ruft Hinterhof-Händler auf den Plan, die sich gerne ein grosses Stück vom Kuchen abschneiden wollen und dazu die Gutgläubigkeit ihrer Kunden ausnützen.
Das gelingt ihnen gut, denn sie wissen: Die meisten Kunden sind Laien, die Autos nicht mit dem Verstand, sondern nur nach Gefühl kaufen.
Deshalb gilt: Tappen Sie nicht in die Emotionsfalle. Bewahren Sie, auch wenn funkelnder Chrom noch so sehr das Herz wärmt, kühlen Verstand und beachten Sie folgende Punkte:
Vor dem Kauf
- Legen Sie fest, was für ein Auto (Kombi, Personen- oder Sportwagen) Sie brauchen und stecken Sie sich einen finanziellen Rahmen.
- Vergleichen Sie - wenn möglich erst einmal nach dem Feierabend - in aller Ruhe verschiedene Angebote. Nach Geschäftsschluss stört sie kein Verkäufer auf den Ausstellungsplätzen und versucht Sie zu überzeugen.
- Lassen Sie Occasionshändler, die keine Werkstatt oder keinen Verkaufsraum haben, links liegen.
- Machen Sie dasselbe mit Autos, bei denen die Motorfahrzeugkontrolle (MFK) länger als acht Monate zurückliegt (Sie können allenfalls eine Nachprüfung verlangen). Und genauso, wenn beim Auto nur der «Grosse Service» gemacht worden ist.
- Gefällt Ihnen ein Wagen, nehmen Sie ihn ganz genau unter die Lupe.
Bestehen Sie in jedem Fall auf einer Probefahrt; einen Teil der Strecke sollten Sie auch steil bergauf fahren.
Im Zweifelsfall lassen Sie das Auto in einem TCS-Center durchchecken. Das kostet Sie zwar rund 130 Franken, gibt Ihnen dafür aber die Sicherheit, keinen Schrott zu kaufen. Über die Telefonnummer 0900 599 099 (Fr. 4.13/Min.) finden Sie das nächstgelegene TCS-Center.
Erfolgreich verhandeln
- Nehmen Sie eine Person mit, der Sie vertrauen. Sie kann bei Unstimmigkeiten als Zeuge für mündlich gemachte Zugeständnisse auftreten.
- Eröffnen Sie das Verkaufsgespräch mit einem Angebot unter dem Eurotax-Wert. Versuchen Sie während des Feilschens Beigaben wie Fussmatten oder Winterpneus auszuhandeln.
- Kommt Ihnen der Verkäufer nicht oder ungenügend entgegen, brechen Sie das Gespräch ab. Hinterlassen Sie Ihre Telefonnummer mit dem Satz: «Vielleicht überlegen Sie es sich noch.»
- Lassen Sie sich vom Verkäufer nicht drängen. Überhören Sie nicht stichhaltige Argumente wie «Morgen ist dieses Auto bestimmt weg.»
Der Kaufvertrag
- Bestehen Sie darauf, dass alle mündlichen Zusagen schriftlich im Vertrag festgehalten werden. Das gilt auch für allfällige Reparaturen, die am Fahrzeug eventuell noch auszuführen sind.
- Kein Kaufvertrag ohne Garantie! Aber Achtung: Massgebend ist der Inhalt der Garantie und nicht, ob diese drei, sechs oder zwölf Monate dauert. Verlangen Sie deshalb, sofern es im Vertrag nicht bereits so steht, ausdrücklich eine «Garantie auf Teile und Arbeit».
Das ist wichtig, weil einige Verkäufer ohne diese Formulierung nur eine eingeschränkte Garantie bieten, bei der wichtige Teile und die Kosten für die Arbeit nicht inbegriffen sind.
Nicht vergessen: Kontrollieren Sie, ob alle Angaben des Vertrags mit den Fahrzeugpapieren übereinstimmen (Chassis-Nummer, die Inverkehrsetzung usw.).
Die Übernahme des Autos
- Vergewissern Sie sich, dass der Händler Ihnen sämtliche Wagenpapiere (inklusive alle Gebrauchsanleitungen) aushändigt.
- Bezahlen Sie den Kaufpreis erst, wenn Sie sich davon überzeugt haben, dass alle Vereinbarungen eingehalten worden sind.
Die fiesen Tricks von Auto-Händlern
Denken Sie beim Occasionskauf immer daran: Viele Verkäufer sind wahre Meister ihres Fachs. Sie kennen alle Tricks - auch die fiesen. Bei folgenden Verkaufsargumenten müssen bei Ihnen deshalb die Alarmglocken schrillen:
- «Der Wagen hat kaum Kilometer!»
Mechanische und digitale Kilometerzähler lassen sich spielend leicht nach unten und der Verkaufspreis so nach oben korrigieren. Verlangen Sie deshalb Einblick in Serviceheft oder/und Abgasdokument. Dort finden Sie den Kilometerstand beim letzten Garagencheck.
- «Das Serviceheft ist verloren gegangen!»
Alarmstufe Rot! Dieser Händler hat womöglich etwas zu verbergen. Falls er zudem vom Vorbesitzer nur Schwammiges weiss: Finger weg, egal wie schön er das Auto aufpoliert hat.
- «Der Lack ist wie neu», oder «Der Wagen ist neu lackiert!»
Schauen Sie sich den Lack bei Sonnenschein an, am besten seitlichschräg aus der Hocke. In den Spiegelungen kommen Beulen und Kratzer so richtig ans Licht.
Bei einer Neulackierung drängt sich die Frage auf: Warum? Oft steckt dahinter ein reparierter Blechschaden. Schauen Sie deshalb unter die Gummidichtungen an Fenstern und Türen. Taucht dort eine andere Wagenfarbe auf, handelt es sich um einen «Billig-Sprutz», der Unfall- oder Rostschäden kaschiert.
Achtung: «Unfallfrei» heisst nicht, dass das Auto auch beulenfrei ist, sondern dass tragende Karosserieteile nie beschädigt wurden.
- «Das Auto hat einen neuen Unterbodenschutz!»
Klingt gut. Aber: Mit blossem Auge können Sie jetzt nicht mehr erkennen, ob der Rost bereits an der Unterseite des Autos frisst. Lassen Sie den Wagen aufbocken und stochern Sie mit einem Schraubenzieher an den heiklen Stellen herum. (Radläufe, Blechfälze, Schwellen, Auspuff, Unterboden, Türen).
- «Die Schonbezüge der Sitze gehören dazu!»
Das ist toll. Doch wie sieht es darunter aus? Vielleicht sind die Originalbezüge stark abgewetzt oder kaputt. Prüfen Sie bei dieser Gelegenheit gleich den Sitzkomfort. Durchgesessene Sitze bereiten Ihrem Rücken auf Dauer keine Freude.
- «Das Auto gehörte vorher einem Nichtraucher!»
Zusammen mit einem starken Duft nach Parfüm oder Reinigungsmitteln im Wageninnern ist das eine verdächtige Aussage. Sehen Sie sich Aschenbecher und Zigarettenanzünder genau an. Mit Raumsprays lässt sich mancher Geruch (auch der von Nässe und Hunden) leicht überdecken - aber bloss ein paar Tage, dann müffelts wieder.
Markus Kellenberger
Versicherungsschutz: Der Ausweg, wenn Sie keine Garantie erhalten
Bei einem Autohandel gelten die Bestimmungen des Obligationenrechts. Danach haftet der Verkäufer während eines Jahres für Mängel des Fahrzeugs.
Auf die Jahresfrist kann sich der Verkäufer nicht berufen, wenn feststeht, dass er den Käufer absichtlich getäuscht hat.
Verkäufer und Käufer können im Vertrag die gesetzliche Haftung ausschliessen. Trotzdem ist auch in diesem Fall der Verkäufer für absichtlich verschwiegene Mängel haftbar.
Wenn sich der Verkäufer nicht in der Lage sieht, eine eigentliche Garantie zu gewähren, empfiehlt der TCS als «Ersatz» eine vertragliche Abmachung zwischen Verkäufer und Käufer. Das gilt auch bei Privatkäufen. Inhalt:
- Eine neutrale Kontrollstelle überprüft das Fahrzeug innert Monatsfrist auf Herz und Nieren.
- Die Kosten für die Kontrolle trägt der Käufer.
- Die Behebung allfälliger Mängel geht zu Lasten des Verkäufers.
- Garantie-Versicherung: Gebrauchtwagen kann man gegen unerwartete Mängel versichern.
Der Abschluss der Versicherung «garantie tcs» ist möglich für TCS-Mitglieder. Die Fahrzeuge dürfen höchstens fünf Jahre alt sein und nicht mehr als 80 000 km auf dem Zähler haben. Der Versicherungsschutz umfasst das Instandstellen oder den Ersatz von kaputten oder ausgeleierten Teilen des Fahrzeugs.
Die Garantie gilt für ein Jahr; Jahresprämie: rund 500 Franken. Um in den Genuss des Versicherungsschutzes zu kommen, muss das Fahrzeug eine eingehende Kontrolle in einem der Technischen Zentren des TCS bestehen.