Ich fühlte mich sehr geschmeichelt, als ich kürzlich von einer Vermögensverwaltungsfirma eine «persönliche Einladung» erhielt. Die Firma Bellecapital am Bellevueplatz 5 in Zürich schrieb mir an meine Wohnadresse: «Sie sind unser Zielkunde.» Sie wolle sich mir vorstellen. Im Brief stand – nicht ganz unbescheiden: «Kennen Sie uns, kennen Sie den Benchmark in Zürich.»

Die Freude wich schnell der Ernüchterung: Was will ein Vermögensverwalter von mir, einem Lohnschreiber mit einem zwar anständigen, aber sicher nicht übertriebenen Salär? Und woher haben die meine Anschrift, wenn ich doch seit mehr als 20 Jahren nicht mehr ­im Telefonbuch stehe?

Die Antwort lieferte mir die AZ Direct AG aus Rotkreuz ZG. Gemäss Website betreibt diese Firma ein «professionelles Adressmanagement». Die Bellecapital hatte dort Adressen für den Werbeaussand gekauft. Auch meine.

Gestützt auf das Datenschutzgesetz, musste mir die AZ Direct AG Auskunft geben über die Daten, die sie über mich gespeichert hat. Und jetzt weiss ich: Mein «Mindestvermögen» beträgt 1,26 Millionen Franken. Und ich habe ein «Jahresmindesteinkommen» von 204 000 Franken im Jahr. Wow!

Der Clou ist, wie die AZ Direct AG auf diese weit übertriebenen Zahlen kommt. Denn sie weiss praktisch nichts über mich. Dafür ist sie im Erfinden kreativ. Bei den Angaben steht eine kleine Fussnote, und die besagt: «Diese Angaben wurden durch Einsatz von statistischen Methoden und Verfahren er­mittelt.» Das verkauft die AZ Direct AG als ­«optimale Adressqualität». 

Jetzt wissen wir also, wie in diesem Land Millionäre gemacht werden. Die Sache mit dem Mindestlohn allerdings – die lässt mir seither keine Ruhe mehr. Darüber muss ich mit meinem Verleger mal ein sehr ernstes ­Wörtchen reden.