Pestizidrückstände trüben den Teegenuss
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saldo 4/2001
28.02.2001
Grün- und Pu-Erh-Tee sind beliebt und gelten als gesund. Eine saldo-Stichprobe zeigt jedoch: Sechs von zwanzig Tees enthalten Pestizidrückstände.
Neben Wasser gehört Tee zu den meistgetrunkenen Lebensmitteln. Tee verdrängt auch in der Schweiz zunehmend den Kaffee aus der Tasse. Über 424 Tonnen Grüntee wurden letztes Jahr importiert - rund ein Drittel mehr als noch 1998. Mit dem Wellnessboom erlebt auch das Teetrinken einen Aufschwung. Besonders der grüne Tee soll sehr gesu...
Grün- und Pu-Erh-Tee sind beliebt und gelten als gesund. Eine saldo-Stichprobe zeigt jedoch: Sechs von zwanzig Tees enthalten Pestizidrückstände.
Neben Wasser gehört Tee zu den meistgetrunkenen Lebensmitteln. Tee verdrängt auch in der Schweiz zunehmend den Kaffee aus der Tasse. Über 424 Tonnen Grüntee wurden letztes Jahr importiert - rund ein Drittel mehr als noch 1998. Mit dem Wellnessboom erlebt auch das Teetrinken einen Aufschwung. Besonders der grüne Tee soll sehr gesund sein. Die Liste der Versprechen reicht von Karies- bis hin zu Krebsvorbeugung.
Als Schlankmacher und Fettkiller wird Pu-Erh-Tee gelobt. Doch bei solchen Verheissungen ist Vorsicht angesagt. Selbst die Teehersteller warnen vor falschen Versprechungen. Laut deutschem Teeverband ist der Pu-Erh-Tee keine Wunderwaffe im Kampf gegen überflüssige Pfunde. Es handle sich um ein traditionelles Lebensmittel. Tee sei zwar gesund, dürfe aber nicht mit einem Heilmittel verwechselt werden. Auf den Teepackungen selbst sind keine Hinweise auf gesundheitsfördernde Wirkungen aufgedruckt. Mit gutem Grund: Solche Anpreisungen sind in der Schweiz für Lebensmittel verboten.
Fünf Grüntees mit dem Spritzmittel Ethion belastet
saldo hat bei Grossverteilern, Reformhäusern, Apotheken und Drogerien 15 Grüntees und 5 Pu-Erh-Tees eingekauft und in einem anerkannten Labor auf Rückstände von 90 Pestiziden untersuchen lassen. Fündig wurde das Labor bei sechs Grüntees.
Fünf von ihnen waren mit dem Spritzmittel Ethion belastet. Zwar ist in der Verordnung über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln kein Toleranzwert für Ethion im Tee festgelegt. Für Gemüse gilt jedoch ein Toleranzwert von 0,5 Milligramm pro Kilo (mg/kg). Die Rückstände, die im Green Tea Migros, Grüntee Coop Naturaplan, Grüntee exclusivité Coop und Makaibari Grüntee nachgewiesen werden konnten, lagen unter diesem Wert. Hingegen überschritt Grüner Tee von Morga mit 1,86 mg/kg den Toleranzwert gleich um mehr als das Dreifache. Wird ein Toleranzwert überschritten, gilt das betreffende Lebensmittel laut Gesetz als verunreinigt und im Wert vermindert. Bei einer Überschreitung eines Grenzwertes ist der Gesetzgeber strenger: Das betroffene Lebensmittel gilt als gesundheitsgefährdend und muss zurückgezogen werden.
Rückstände des Pflanzenschutzmittels Endosulfan fand das Labor in diesen zwei Tees: Thé Vert Jacksons, Grüntee exclusivité Coop. In beiden Fällen liegen die gefundenen Mengen unter dem Toleranzwert.
Wie genau sich Spritzgifte wie Endosulfan und Ethion auf die menschliche Gesundheit auswirken, ist noch unzureichend erforscht. Wie die deutsche Zeitschrift "Oekotest" berichtete, soll ein Chemikaliengemisch aus Endosulfan und anderen Pestiziden das Wachstum von Brustkrebszellen anregen.
Peter Oppliger von der Schweizerischen Fachstelle für Grüntee ist der Ansicht, dass die Pestizidbelastung von Tees anders zu bewerten sei als diejenige von Lebensmitteln. Denn beim Angiessen des Tees könnten nur 2 bis 15 Prozent der Rückstände gelöst werden. Aber: Unabhängig davon, wie viele Pestizide sich in der Teetasse noch finden - sie belasten in den Produktionsländern Mensch und Umwelt.
Käthy Bühler, Inhaberin des Teehauses Ch'a in Zürich, bewertete die Qualität der Tees. In einer Blinddegustation beurteilte sie Blattqualität und geschmackliche Eigenschaften. Die Unterschiede sind gross: Die Urteile reichen von sehr gut bis ungenügend. Bestnoten in Sachen Qualität gab es für folgende vier Tees:
China Chun Mee von Globus, Gunpowder von Crownings, Grüntee Coop Naturaplan und Pu-Erh-Tee von der Herboristeria Ebikon. Am Schluss der Rangliste finden sich Grüner Tee Qi, Thé Vert Jacksons, Grüntee exklusivité Coop, Pu-Erh-Tee von Cebo Trading, Green Tea Tetley und Grüntee von Sidroga. Bei den letzten beiden und beim Tchaé Grüner Tee Orient handelt es sich um aromatisierte Tees oder Teemischungen, was die Expertin nicht goutierte.
Tees bleiben trotz Pestizidbelastung im Verkauf
saldo hat die Hersteller mit den Ergebnissen konfrontiert. Morga teilt mit, dass ihr Lieferant die betroffene Charge ebenfalls analysiert habe und dabei wesentlich tiefere Werte ermittelt wurden.
Antonius Conte von Naturkraftwerke kann sich die Rückstände im Makaibari Grüntee nur so erklären: "Wir wissen, dass 1998 Teile einer Ernte durch einen Sabotageakt mit Insektizid verseucht wurden." Wegen dieses Vorfalls habe Makaibari für drei Jahre die Demeter-Anerkennung verloren, sie vor kurzem aber wieder uneingeschränkt erhalten. Aktuelle Analysen würden belegen, dass sich das Pestizid nicht mehr nachweisen lasse. Die von saldo festgestellte Belastung hält er für unrealistisch. Conte will das Ergebnis nachkontrollieren lassen. Beim getesteten Tee handle es sich um ein Produkt, das nur in kleinen Mengen verkauft werde.
Knapp fällt die Stellungnahme von Migros aus: "Wir nehmen das Gutachten zum Anlass, die beiden Produkte in unseren Labors zu untersuchen und die notwendigen Schritte umgehend einzuleiten."
Coop-Pressesprecher Karl Weisskopf weist darauf hin, dass beide Tees den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Beim Grüntee Coop Naturaplan lasse sich eine bewusste Anwendung des Stoffes ausschliessen, es könne sich nur um eine Verunreinigung durch Winddrift oder kontaminierte Behältnisse handeln.
Jeannette Büchel