Radio- und TV-Gebühren / Billag: Pleiten und Pannen
Inhalt
saldo 17/2000
25.10.2000
Die Billag macht Jagd auf säumige Zahler. In diesen Tagen haben fast 8000 Haushalte Betreibungen erhalten - ein Grossteil davon ist ungerechtfertigt.
Lässig dreht sich der smarte Inspector Hunter um die eigene Achse und zeigt mit dem Finger auf den TV-Zuschauer. "Schon angemeldet?", fragt er mit dreckigem Grinsen. Dann verweist er auf die Billag, die Schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehgebühren. Hinter ihm sind sechs Menschenköpfe als Jagdtrophäen an die Wand ...
Die Billag macht Jagd auf säumige Zahler. In diesen Tagen haben fast 8000 Haushalte Betreibungen erhalten - ein Grossteil davon ist ungerechtfertigt.
Lässig dreht sich der smarte Inspector Hunter um die eigene Achse und zeigt mit dem Finger auf den TV-Zuschauer. "Schon angemeldet?", fragt er mit dreckigem Grinsen. Dann verweist er auf die Billag, die Schweizerische Inkassostelle für Radio- und Fernsehgebühren. Hinter ihm sind sechs Menschenköpfe als Jagdtrophäen an die Wand genagelt.
Seit die Billag die Gebühren eintreibt, läuft vieles schief
Diesen Werbegag finden vor allem jene Leute nicht lustig, die mit der Billag im Clinch liegen. Seit die Firma am 1. Januar 1998 das Inkasso der Radio- und Fernsehgebühren von der Swisscom übernommen hat, gehören Pannen zum Alltag.
Es begann mit der Umstellung des Rechnungswesens von monatlicher auf vier
teljährliche Zahlung. Die Rechnungen verschickte das EDV-System automatisch - wer nicht bezahlte, wurde gemahnt. Dann "vergass" der Computer die säumigen Zahler und liess diese auch im Jahr 1999 unbehelligt. Die Folge: Ein Verlust von 6 Millionen Franken drohte.
Nun hat die Billag zum Grossangriff auf die säumigen Gebührenzahler geblasen. 7750 Betreibungen im Gesamtbetrag von 1,9 Millionen Franken wurden verschickt. Und für die Ausstände 1999 in der Höhe von 3 Millionen Franken erhielten über 36 000 Schweizer Haushalte in diesen Tagen eine zweite Mahnung.
Kurt Stucki (Name geändert) traf die Betreibung wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Die Billag forderte von ihm Fr. 102.70 plus Spesen und Verzugszins, ausstehend seit 20. Februar 1998. Da er seit Jahren via Lastschrift-Verfahren (LSV) bezahlte, erhob er Rechtsvorschlag. Sein Ärger ist verständlich, denn er fand heraus, dass der Betrag von der Billag nicht abgebucht worden war. Seine Intervention hat sich gelohnt: Die Billag zog die Betreibung zurück.
Auch bei Erwin Huber (Name geändert) lief einiges schief: Mit Datum vom 29. April 2000 erhielt er eine
Betreibungsandrohung. Tags darauf teilte Huber der Billag telefonisch mit, dass er keine Rechnung für diese Periode erhalten habe. Auch seien ihm keine Mahnungen zugestellt worden. Er verlangte eine "anständige" Rechnung. Dann herrschte Funkstille.
Doch am 28. September erhielt Huber einen Zahlungsbefehl über Fr. 102.30. "Ich telefonierte sofort der zuständigen Sachbearbeiterin und verlangte erneut einen Auszug der angeblichen Rechnungen und Mahnungen. Doch die Dame liess sich auf keine Diskussionen ein und beendete abrupt das Gespräch", erzählt Huber. Entnervt zahlte er Fr. 165.55 ein (inkl. Gebühren).
Nicht alle Billag-Angestellten finden den richtigen Ton
Dass man bei der Billag dünnhäutig geworden ist, hat auch Susi Meier (Name geändert) erfahren. Auf ihre Frage, ob sie nähere Angaben über die unbezahlten Rechnungen erhalten könne, antwortete eine Angestellte süffisant: "Wir haben keine Zeit, wegen solch läppischer Beträge stundenlang zu lamentieren." Sprachs und legte den Hörer auf. Um weiteren Ärger abzuwenden, bezahlte Susi Meier den Betrag von Fr. 165.55 (inkl. Gebühren).
Auch in Liechtenstein wollte Billag Prämien eintreiben
Billag-Pressesprecher Bernhard Marchand sieht verschiedene Gründe für die Misere: "Es trifft zu, dass wir EDV-Probleme hatten. Aber ein weiterer wichtiger Punkt war, dass zu Beginn Tausende von Billag-Briefen ungeöffnet weggeworfen wurden. Viele Leute kannten unsere Firma nicht und meinten, es handle sich um Bettelbriefe."
Besonders peinlich: Im Herbst 1999 wollte die Billag sogar im Fürstentum Liechtenstein Radio- und Fernsehempfangsgebühren einfordern. Doch bevor der kleine Grenzkonflikt eskalierte, liess die Liechtensteiner Regierung via Presse- und Informationsdienst die verunsicherten Untertanen wissen, dass für sie keine Gebührenpflicht bestehe. Dies hinderte die Billag aber nicht, Ende Februar 2000 erneut an das Gewissen der Liechtensteiner zu appellieren. Marchand bestätigt: "Dieser Fall ist uns peinlich, und es ist unverzeihlich, dass zweimal der gleiche Fehler gemacht wurde."
Jetzt handelt die Billag: Das Personal wird geschult, damit es in Krisensituationen nicht die Nerven verliert. Und das ist bitter nötig, denn nach jedem Rechnungsversand müssen pro Tag an die 7000 Anrufe und mehrere tausend schriftliche Beschwerden verarbeitet werden.
Max Fässler