Auf der ganzen Welt gibt pro Kopf niemand mehr Geld für Sach- und Haftpflichtversicherungen aus als die Schweizer. Dies geht aus einer Zusammenstellung der Swiss Re hervor. Kein Wunder: Die Versicherungsgesellschaften in der Schweiz melken die Prämienzahler auch besonders intensiv. Diesen Schluss legen Vergleiche von saldo nahe. Im Jahr 2010 zahlten die Schweizer gemäss der Finanzmarktaufsicht Finma Prämien in der Höhe von 13 Milliarden Franken für Sach- und Vermögensversicherungen. Dazu zählen zum Beispiel Haftpflicht-, Hausrat-, Rechtsschutz- oder Motorfahrzeugversicherungen. Im Jahr 2001 waren es erst 10 Milliarden Franken. Der Zuwachs innert zehn Jahren beträgt also 3 Milliarden Franken – oder 30 Prozent.
Auf 1 Franken Schaden kommen 2 Franken Prämie
Stiegen in dieser Zeit auch die Leistungen der Versicherungen für eingetretene Schäden? Ja, aber längst nicht im selben Ausmass wie die Prämien. Das zeigt der saldo-Vergleich: Die Zahlungen an die Versicherten stiegen in dieser Periode lediglich um 14,5 Prozent auf 6,9 Milliarden.
Das heisst auch: Im Jahr 2001 haben die Schweizer Versicherungsgesellschaften 59,9 Prozent der Prämien für Schadenzahlungen ausgegeben, 2010 waren es noch 52,8 Prozent. Die Differenz zwischen Prämien- und Schadenzahlungen stieg in dieser Zeit von 40,1 auf 47,2 Prozent an. Ein rentables Geschäft für die Versicherungen: 1 Franken Schaden kostet die Prämienzahler rund 2 Franken.
In einzelnen Bereichen der Sachversicherungen nahmen die Prämieneinnahmen zwischen 2001 und 2010 derart stark zu, dass sie mehr als doppelt so hoch sind wie die Leistungen (siehe die Grafiken auf Seite 10):
n Die Prämien für Rechtsschutzversicherungen wuchsen um 71,7 Prozent auf 406,9 Millionen Franken an. Die Zahlungen der Versicherer hingegen legten nur um 40 Prozent auf 189,5 Millionen zu. Anders gesagt: 2001 erhielten die Versicherten für einen gezahlten Prämienfranken Schäden im Umfang von 57 Rappen gedeckt, zehn Jahre später waren es noch 47 Rappen.
- Bei den Feuer- und Sachversicherungen lässt sich ein Rückgang von 55 Rappen Schadenzahlung pro Prämienfranken auf 43 Rappen feststellen. Auch hier behalten die Versicherer also von einem Prämienfranken deutlich über die Hälfte (57 Rappen) für administrative Kosten und Gewinn zurück.
- Um 22,5 Prozent legten die Prämien im Haftpflichtbereich zu. Die Schadenzahlungen stiegen indes nur um 10,2 Prozent. Entsprechend sank die Deckung pro Prämienfranken: von 51 auf 46 Rappen.
Solche Zahlen zeigen: Die Privatversicherer in der Schweiz profitieren auf Kosten der Prämienzahler. In der Schweiz spielt der Wettbewerb zwischen den Versicherungsgesellschaften zu wenig.
Profitabel sind vor allem Sach- und Haftpflichtversicherungen
Dass das Geschäft mit Sach- und Haftpflichtversicherungen in der Schweiz höchst profitabel ist, zeigen auch Vergleiche mit dem Ausland. Bei Versicherungsgesellschaften, die sowohl in der Schweiz wie im Ausland tätig sind, offenbart sich Folgendes: Die Schweizer Gesellschaften rentieren wesentlich besser als ihre ausländischen Ableger (siehe Kasten auf Seite 9).
Stefan Thurnherr, Versicherungsspezialist beim VZ Vermögenszentrum, bestätigt: «Der Versicherungsmarkt in der Schweiz ist nach wie vor lukrativer als im Ausland.» Die Schweiz sei bei den Prämien für Sachversicherungen eine Hochpreisinsel. Die Prämien für Hausrat und Motorfahrzeuge etwa seien im Vergleich zu Deutschland «massiv höher». In der Schweiz stünden die Versicherer kaum unter Druck, da nur wenige Policen über den Internetkanal abgeschlossen werden.
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV kritisiert den Vergleich von saldo als wenig aussagekräftig. Prämien- und Auszahlungsjahre würden meist nicht zusammenfallen. So kalkulierten Versicherungen Risiken und Schäden über längere Perioden.
Die grossen Versicherungsgesellschaften behaupten, der Wettbewerb in der Schweiz spiele sehr gut. Spielraum für Prämiensenkungen sei nicht vorhanden. Die Kunden würden keineswegs abgezockt.
Rentabilität: Laut Axa sind «Grossschäden in der Schweiz selten»
Wie kommt es dann, dass das Geschäft der Versicherer in der Schweiz viel besser rentiert als im Ausland? Die Zürich Versicherungen, die in der Schweiz im Vergleich zum Ausland extrem gut verdienen, rechtfertigen das mit besonders vielen weltweiten Naturkatastrophen in den letzten zwei Jahren. «Diese Schäden haben Spuren in unserem Schadenkostensatz hinterlassen», sagt Sprecherin Sylvia Gäumann. Die Axa Winterthur erklärt die gute Rentabilität in der Schweiz mit den seltenen Grossschäden.
Damit bestätigen die Versicherungen das, was man ihnen vorwirft: Dass die Prämien im Vergleich zu den Schäden zu hoch sind. Versicherungsspezialist Stefan Thurnherr: «Die Schweizer Versicherer befinden sich in einer relativ geschützten Umgebung. Es besteht Spielraum, die Prämien um 15 bis 20 Prozent zu senken.»
Internationaler Vergleich: Lukrative Schweizer Filialen
Die Versicherungsmargen in der Schweiz sind international gesehen sehr hoch. Das zeigt ein Vergleich von Schaden-Kosten-Quoten, die bei den Versicherungen für Rentabilität stehen. Sie geben den prozentualen Anteil der Aufwendungen für Versicherungsleistungen und Administration an den eingenommenen Prämien wieder. Je tiefer die Quote, desto profitabler geschäftet die Versicherung.
saldo hat die Quoten von mehreren Gesellschaften untersucht. Und zwar von solchen, die in der Schweiz und international tätig sind: Axa, Zürich, Allianz, Generali, Nationale, Helvetia und Bâloise.
Vergleicht man die Schaden-Kosten-Quoten dieser Versicherer in der Schweiz mit derjenigen des jeweiligen Konzerns, die verschiedene Länder umfasst, zeigt sich: Die Schweizer Quoten sind durchs Band tiefer. Das bedeutet, die Schweizer Gesellschaften der Konzerne sind besonders rentabel.
Sehr stark ausgeprägt ist das bei der Zürich: 2011 erreichte sie auf Konzernstufe 98,8 Prozent Quote, im Schweiz-Geschäft jedoch 83 Prozent. Auch im Vorjahr war das Verhältnis ähnlich.
Sehr erfolgreich war im 2011 in der Schweiz auch der französische Axa-Konzern: Er erreichte mit Axa Winterthur eine Quote von 89 Prozent, gegenüber 97,9 Prozent auf Konzernstufe. Und die Helvetia-Gruppe musste sich im 2011 mit einer Schaden-Kosten-Quote von total 95,6 Prozent bescheiden. Im Heimmarkt Schweiz erzielte Helvetia hingegen 86 Prozent.