Tagsüber Licht kann Menschenleben retten
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Haus & Garten 4/2000
01.09.2000
Wenn Autofahrerinnen und -fahrer auch tagsüber ihre Abblendlichter einschalten würden, gäbe es in der Schweiz bis zu 40 Unfalltote weniger pro Jahr: Dies ist die Prognose der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung.
Sollen Autos auch am Tag obligatorisch mit Licht fahren?, fragte der TCS die Leser der Zeitschrift Touring. «Gehts eigentlich noch?», fragte ein Leser zurück. Und ein anderer meinte: «Wir haben genug Gesetze und Bestimmungen!»
Eine ...
Wenn Autofahrerinnen und -fahrer auch tagsüber ihre Abblendlichter einschalten würden, gäbe es in der Schweiz bis zu 40 Unfalltote weniger pro Jahr: Dies ist die Prognose der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung.
Sollen Autos auch am Tag obligatorisch mit Licht fahren?, fragte der TCS die Leser der Zeitschrift Touring. «Gehts eigentlich noch?», fragte ein Leser zurück. Und ein anderer meinte: «Wir haben genug Gesetze und Bestimmungen!»
Eine knappe Mehrheit jedoch sprach sich für ein Lichtobligatorium aus. «Mit Licht kann man Distanzen besser abschätzen», schrieb ein Leser, ein weiterer: «Wenn es dadurch auch nur einen Toten weniger gibt, zahle ich gerne den geringen Mehrverbrauch an Benzin.»
Die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) prognostiziert - sofern man immer mit Licht fährt - sogar bis zu 40 Unfalltote und 2760 Verletzte weniger pro Jahr. Abteilungsleiter Stefan Siegrist leitet diese Zahlen von einer holländischen Analyse ab, die ihrerseits 24 europäische Studien zusammenfasst.
Verkehrssicherheit ist mit Licht viel grösser
Diese Studien kommen alle zum gleichen Schluss: Das Unfallrisiko vermindert sich, weil Fussgänger, Zweiradfahrer und Automobilisten ein Auto mit Licht am Tag besser wahrnehmen können. Laut Hochrechnung gäbe es 24,6 Prozent weniger tödliche Kollisionen und 20 Prozent weniger Unfälle mit Verletzten, wenn alle Autofahrer im EU-Raum auch am Tag ihr Licht einschalten würden.
Polen und Ungarn kennen schon heute ein generelles Lichtobligatorium, ebenso die skandinavischen Staaten, die 35 Prozent weniger Unfälle tagsüber verzeichnen als vorher. In der Schweiz existiert lediglich für Motorräder eine entsprechende «Sollvorschrift» - wer sich nicht daran hält, riskiert also keine Busse.
Für viele Töfffahrer ist sie allerdings eher ein Privileg als eine Vorschrift. Sie befürchten, wenn jetzt auch die Autofahrer tagsüber das Licht eingeschaltet haben, würden die Motorräder weniger auffallen und öfter verunglücken. Diese Befürchtung hat sich in den Studien nicht bewahrheitet.
Mehrheit der Schweizer will kein Obligatorium
Wie positiv die Sicherheitsbilanz auch ausfällt: Licht am Tag ist nicht gratis. Gemäss der holländischen Analyse braucht es dafür 0,9 Prozent mehr Benzin - entsprechend steigt auch der Abgas-Ausstoss. Und: 70 Prozent der Schweizer lehnen ein Lichtobligatorium ab, wie eine repräsentative Umfrage vom letzten Jahr zeigt.
Stefan Siegrist vom BfU hat diese kritische Haltung beim Autofahren selbst erlebt: Während er Daten zum Thema sammelte, wollte er mit gutem Beispiel vorangehen. «Immer wieder jedoch signalisierten andere Automobilisten durch Lichthupen, ich solle meine Scheinwerfer ausschalten.»
«Das wird sich ändern, wenn die Autofahrer die positiven Fakten zur Sicherheit kennen», sagt Daniela Lehmann, Sprecherin des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS). Der VCS ist klar für ein Lichtobligatorium am Tag - trotz höherem Energieverbrauch: «Es ist zynisch, Benzin auf Kosten von Menschenleben sparen zu wollen.»
Pia Seiler